eActros-Sattelschlepper im Wintertest

ELEKTRIFIZIERUNG Mercedes-Benz hat den auf 2024 angekündigten Langstrecken-eActros und die noch dieses Jahr zu erwartende Sattelzugmaschine eActros 300 in Finnland ihrem regulären Kältetest unterzogen.

eActros-Sattelschlepper Wintertest TIR transNews
eActros-Sattelschlepper im Wintertest – ein Vorserienfahrzeug des eActros LongHaul, hier mit voller Tarnbeklebung. Wir sind gespannt, wie die Serie schliesslich daherkommen wird.

«Die Erprobung unserer Produktpalette unter extremen Winterbedingungen ist auch in Sachen alternative Antriebe ein wesentlicher Bestandteil unserer  Fahrzeugentwicklung», sagt der oberste Tester bei Mercedes-Benz Trucks, Christof Weber. Denn Transportunternehmen müssten sich in einem hart umkämpften Wettbewerbsumfeld zu jeder Jahreszeit genauso auf ihre E-LKW verlassen können, wie sie es von konventionell angetriebenen Fahrzeugen gewohnt seien. Entsprechend erwiesen sich die diesjährigen Wintererprobungen von Mercedes-Benz Trucks im finnischen Rovaniemi, das direkt am Polarkreis liegt, einmal mehr als wichtige Härtetests.

Mit dabei waren Fahrzeuge verschiedener Baureihen – darunter Prototypen des batterieelektrischen eActros LongHaul, dessen Serienreife für 2024 geplant ist. Ebenfalls in Rovaniemi getestet wurden der batterieelektrische eActros 300 als Sattelzugmaschine sowie der konventionell mit Diesel angetriebene Actros L. Unter klimatischen Extrembedingungen wie beispielsweise auf verschneiter und vereister Fahrbahn, bei schneidendem Wind und Temperaturen bis zu minus 25 Grad testete das Entwickler- und Versuchsteam die einzelnen Modelle, um daraus Massnahmen für weitere Optimierungen abzuleiten.

Mercedes-Benz Wintertest 2023 TIR transNews
In harten winterlichen Bedingungen müssen die eActros, wie die Diesel-Fahrzeuge, zuverlässig funktionieren. Links ein Actros L, rechts die Sattelzugmaschine des eActros 300.

Die neuen eActros-Sattelschlepper-Modelle
Der letzten Herbst auf der IAA vorgestellte eActros-Sattelschlepper (eActros 300) kann unter Berücksichtigung der maximal zulässigen Gesamtlängen alle gängigen europäischen Auflieger ziehen. Sie basiert auf der Technologie der bereits eingeführten Chassisversion des eActros 300/400, wobei für den Sattelschlepper bis drei
Batteriepakete à 112 kWh Kapazität montiert werden und damit Reichweiten von bis zu 220 Kilometern erzielt werden können.

Der seriennahe Prototyp des langstreckentauglichen eActros LongHaul ist mit der LFP-Batteriezelle (LithiumEisenphosphat) ausgerüstet, die vor allem eine hohe  Lebensdauer hat, aber auch über mehr nutzbare Energie verfügt. Er soll in seiner Serienversion, die aufs kommende Jahr angekündigt ist, eine Reichweite von rund 500 Kilometern haben und für das noch in Entwicklung befindliche Megacharging-Hochleistungsladen tauglich sein. Das IAA-Konzept war bekanntlich von der Jury des International Truck of the Year – ihr gehört auch TIR transNews an – mit dem Innovation Award 2023 ausgezeichnet worden.

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Mercedes-Benz Trucks hat das Diesel Topmodell Actros L an den Wintertest mitgebracht. Dabei zeigte sich, dass die Kabine im eActros-Sattelschlepper rascher warm ist als mit Dieselmotor.

Batteriesystem im Fokus
Vor Ort legten die Experten bei den beiden elektrischen Modellen ein besonderes Augenmerk auf das Verhalten der Batterien und des elektrischen Antriebsstrangs bei widrigen Witterungsverhältnissen. Zu diesem Zweck wurden unter anderem das Startverhalten sowie die Kälteabsicherung der Antriebskomponenten, Software und Schnittstellen überprüft. Zudem wurde das Thermo- und Energiemanagement intensiv getestet. Beides sorgt dafür, dass sowohl der Antriebsstrang als auch die
Fahrerkabine selbst bei tiefen Temperaturen richtig und energieeffizient temperiert sind.

Hierbei zeigte sich zum Beispiel, dass der eActros LongHaul durch seinen kleineren Heizkreis mit grosser Leistung das Fahrerhaus grundsätzlich schneller aufwärmt als ein Diesel-LKW. Da die Energie hierfür aber den im Fahrzeug verbauten Batterien entnommen wird und sich so die Reichweite reduziert, empfiehlt sich das sogenannte
Pre-Conditioning beziehungsweise die Vorklimatisierung des E-Lastwagens an einer Ladesäule. Wie dies von ElektroPersonenwagen weitum bekannt ist, büsst der eActros mit dem Pre-Conditioning auch bei extremer Kälte weniger an Reichweite ein.

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In winterlichen Bedingungen zahlt es sich bei Komfort und Reichweite aus, die E-Trucks an der Ladesäule gleich auch vorzukonditionieren.

Sensoren und Assistenten
Schon auf der Fahrt nach Finnland nahmen die Entwickler sämtliche Funktionen und Systeme der Fahrzeuge im Praxiseinsatz unter die Lupe. So etwa wurde die Unterstützung beim Spurwechsel als Teil des aktiven Abbiegeassistenten getestet, oder die aktive Spurführung beim Active Drive Assist beim Actros L. Da ausserdem mehrere Landesgrenzen zu passieren waren, konnte auch der Einfluss von länderspezifischen Spurmarkierungen, Verkehrszeichen oder digitalen Kartendaten auf die
Performance der in den Lastwagen installierten Assistenzsysteme gemessen werden. Und dadurch, dass die Fahrzeuge den ganzen Tag erprobt wurden, liessen sich profanere, aber nicht weniger wichtige Aspekte für das Leben eines Lastwagenfahrers bewerten, wie zum Beispiel der Komfort des Fahrersitzes.

Zu den Bestandteilen der Wintererprobung zählen natürlich zahlreiche Tests zum Fahr- und Bremsverhalten auf unterschiedlich griffigen Oberflächen und der Einfluss zum Beispiel von Schneematsch auf die Wirksamkeit der Sensoren von Fahrerassistenzsystemen. Ebenso wurde getestet, wie der Trailer-Stability-Assistent die Schleudergefahr von Sattelzügen bei Kurvenfahrten oder Ausweichmanövern auf winterlichen Strassen reduzieren kann und wie die MirrorCam mit den unterschiedlichen Kontrastverhältnissen auf Eis und Schnee umgeht.

«Wir sind sehr zufrieden mit unseren Testergebnissen», erklärte Christof Weber im Anschluss an die Wintertests. Denn die Prüfungen etwa des Verhaltens der Batterien und des elektrischen Antriebsstrangs bei extremen Temperaturen oder auch des Fahrverhaltens der Fahrzeuge auf spiegelglatten Strassen zeigten: «Selbst bei sehr winterlichen Verhältnissen sind unsere batterieelektrischen LKW voll einsatzbereit.»

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Auf der Rückfahrt nach Stuttgart hielt der eActros 300 im Durchschnitt dreimal pro Tag an einer Schnellladesäule.

Rückfahrt als Langstreckentest
Zum Abschluss der Wintertests nutzen die Mercedes-Ingenieure, wie schon auf der Hinfahrt, die rund 3000 Kilometer lange Strecke zwischen Stuttgart und Rovaniemi für ausgiebige Erprobungen. Dabei ging es vor allem darum, den auf 25 Tonnen beladenen eActros 300 im realen Verkehrsgeschehen unter die Lupe zu nehmen. Der Hauptfokus lag dabei auf der Bewältigung dieses Marathons, der im Normalfall aber kaum je von einem Kunden überhaupt in Betracht gezogen werden dürfte.
Im eActros 300 ist mit den drei Batteriepacks wie erwähnt mit Reichweiten von bis zu 220 Kilometern zu rechnen. «Im Vorfeld haben wir die einzelnen Etappen exakt, aber sehr konservativ mit etwa 150 Kilometern geplant», erklärt Marc Schniederjan, der für den Betrieb von Versuchsfahrzeugen verantwortlich ist. Damit wollte er sicherstellen, dass auch bei Stau oder Stop-and-go-Verkehr die vorgesehenen Ladepunkte problemlos angefahren werden konnten. Durchschnittlich dreimal am Tag wurde ein Ladestopp eingelegt, wobei das Laden selbst an den zur Verfügung stehenden öffentlichen DC-Schnellladesäulen ohne Probleme funktioniert hat.

Gerade in den nördlicheren Gefilden und auch während der Wintertests selbst wurde das Fahrerhaus im eActros 300 an der Ladesäule vorkonditioniert, um die Reichweite nicht durch Heizen unnötig zu verringern. «Bei nur minimalen Minusgraden hielt sich die Reichweiteneinbusse aber auch ohne das Pre-Conditioning in Grenzen», erläutert Schniederjan. Ohne Einschränkungen bewältigte der eActros-Sattelschlepper auch die verschiedensten Wetterkapriolen mit Schnee, Kälte und Sturm. Dabei bewährten sich die eingebauten Fahrerassistenzsysteme ebenso wie die zweite Generation der MirrorCam.

Mercedes-Benz Wintertest 2023 TIR transNews
Praxiserkenntnis auf der 3000 Kilometer langen Fahrt von Rovaniemi nach Stuttgart: Auch bei schwierigen winterlichen Strassenverhältnissen funktionierten Antrieb und Assistenzsysteme zur Zufriedenheit der Tester.
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