Fahrerhaus-Baukasten von Scania nun komplett

VERTEILERVERKEHR Als vorerst letzter Schritt hat Scania seine Modell­erneuerung um spezifische Lösungen im urbanen Einsatz erweitert. Darunter fallen die Lowdeck-Kabine L-Cab, die Crewcab und ein neuer Einsteigermotor.

Scania Baukasten Fahrerkabine TIR transNews
Die niedrige Fahrerposition der Scania L-Cab war ursprünglich vor allem für die Einsätze der Müll­abfuhr entwickelt worden, doch ist sie auch für andere städtische Nutzungen und für Baustellen geeignet.

Bei der Neukonzeption seiner Modellreihen hatte Scania als eine der zentralen Elemente auf eine umfassende Baukastenlösung hin gearbeitet. Das hat nun zur Folge, dass die für ihren ultra­niedrigen Einstieg bekannte L-Cab keine teure Sonderanfertigung mehr ist, sondern dank vieler Gleichteile mit den anderen Kabinen (S, R, G, P) auch herstellungstechnisch kompetitiv geworden ist. Das Gleiche trifft übrigens auch auf die neue Crewcab zu, wie sie vornehmlich bei Feuerwehr-Fahrzeugen anzutreffen ist. Scania hat inzwischen alle Fabriken in Europa auf die neue Kabine umgestellt; nun steht diese Umstellung noch dem Werk in Brasilien bevor.

Scania «Kniefall»

«Wir sind mit unserer Neuausrichtung viel flexibler geworden und können nun mehr speziell für den städtischen Einsatz konzipierte Lösungen anbieten», erklärt Henrik Ens, Leiter der Sparte Urban Trucks bei Scania. Dazu bringt Scania mit dem erneuerten G-Fahrerhaus eine Verteiler-Version und die erwähnte, gänzlich neue L-Kabine. Mit diesem Fahrerhaus erhält der Chauffeur eine Car-ähnliche Position, er sitzt viel tiefer und ist damit dem hektischen Treiben des innerstädtischen Verkehrs viel näher. Optional ist für die Beifahrertüre das sogenannte City-Safe-Fenster erhältlich, das die Sicht auf die schlecht einsehbare, fahrerabgewandte Seite verbessert.

In Zahlen ausgedrückt: Mit der Radnabe der Vorderachse als Referenzpunkt ist die L-Cab um 550 mm länger als eine P-Kabine und um 220 mm niedriger. Wird die Kabine mit einer automatischen Absenkung, dem «Kneeling», bestellt, genügt eine Trittstufe, um in die niedrige Kabine einsteigen zu können. Ohne den «Kniefall» baut Scania in der L-Cab zwei Tritte ein. Auf dem Motorentunnel können zwei Einzelsitze angebracht werden, sodass der Fahrer bis zu drei Teammitglieder zum Einsatz mitnehmen kann.

Bei der L-Cab denkt Scania jedoch nicht nur an den typischen Einsatz bei der Müllabfuhr, wo solche Kabinen oft eingesetzt werden. Auch die Verteiler- oder Baustellen-LKW sind dafür für die Schweden interessant. «Die meisten Baustellen liegen heute auf städtischem Grund, deshalb treffen die Vorteile der niedrigen Fahrerposition auch für die Baustelle oder für den Muldenservice zu», begründet Henrik Ens. Gleiches gilt auch im Zusammenhang mit dem Verteilerverkehr, wo zudem das viele Aus- und Einsteigen des Chauffeurs fürs Entladen und Einsammeln von Gütern durch die niedrige Bodenposition merklich erleichtert wird.

Platz für die Mannschaft

Nicht ganz so niedrig baut das neue P-Fahrerhaus, das bislang als alleiniges Fahrerhaus für die urbane Transportlösung von Scania «herhalten» musste. In der neuen Ausführung kann es in drei Höhen und in drei Längen konfiguriert werden, wobei je nach Länge eine Ruhe­ausrüstung oder ein richtiges Bett geordert werden kann. Die neue Generation P-Cab dient übrigens ebenfalls als Basis für die neue Crew­cab. Deren Haupteinsatz wird zweifelsohne bei der Feuerwehr liegen; doch Scania denkt auch an Servicefahrzeuge für Bahnbetreiber, Energiefirmen oder an Abschleppfahrzeuge, bei denen in der Crewcab die Arbeiter mitgenommen oder die gestrandeten Reisenden zusammen mit ihrem Fahrzeug in Sicherheit gebracht werden können.

Die Crewcab ist wie bisher in zwei Längen erhältlich, die sich jedoch an der Kabinenheckwand unterscheiden. Diverse Sitzkonfigurationen, drei mögliche Innenböden, ein ausfahrbarer Tritt an den hinteren Türen und spezielle Klima- und Heizungssysteme lassen sich spezifizieren. Auch die Crewcab ist übrigens Teil des Fahrerhaus-Baukastens, was die Herstellung und Konfiguration erheblich vereinfacht.

Zu den allgemeinen technischen Neuerungen zählen auch ausgeklügelte Kamerasysteme, mit denen der Chauffeur selbst in grösseren Trucks mit beispielsweise dem G-Fahrerhaus eine gute Übersicht über die unmittelbare Umgebung erhält. Die Systeme umfassen vier oder sechs Kameras, wobei eine echte 360-Grad-Sicht nur mit sechs Kameras ermöglicht wird.

Neue Motoren

Gleichzeitig mit dem P-Fahrerhaus bringt Scania einen neuen Einsteigermotor, wobei «neu» insofern nicht ganz den Tatsachen entspricht, als dass der Motor bereits in Bussen von Scania eingesetzt wird. Beim DC07 handelt es sich um einen 7-Liter-­Sechszylinder, der unterhalb des 9-Liter-Fünfzylinders DC09 angesiedelt ist. In beiden Motorreihen ist je eine 280-PS-Variante im Angebot, beim DC07 ist es der Topmotor, beim DC09 der Basismotor. Der zusammen mit Cummins entwickelte DC07-Sechs­zylinder zeichnet sich durch einen bemerkenswert leisen und vibrationsarmen Lauf aus, was ihn für lärmsensible Stadtgebiete prädestiniert. Mit maximal 1200 Nm Dreh­moment werden Transporteure mit schweren Einsätzen gegebenenfalls doch auf den Scania-Fünfzylinder DC09 zurückgreifen, der mit 1700 Nm deutlich kräftiger im Futter steht.

Nicht für jede Scania-Kabine

Der neue Motor ist neben der 280- PS-Topvariante auch mit 220 und 250 PS erhältlich. Vorerst gelangt der DC07 aber lediglich im P-Fahrerhaus zum Einsatz, eine spätere Einführung beim L-Cab ist jedoch bereits angedacht. Er wiegt 360 kg weniger als der Neunlitermotor, sodass Scania mit ihm eine um 270 kg bessere Nutzlast angeben kann. Zudem rechnen die Schweden mit einem rund sieben Prozent geringeren Verbrauch. Und schliesslich baut der DC07 weniger hoch, sodass in der P-Cab auch ein um 95 mm weniger ins Fahrerhaus ragender Motortunnel ge­ordert werden kann, was das Komfortempfinden stärkt.

Über die vergangenen Monate hat die Branche einen echten Boom in Sachen Erdgasantrieb erlebt. Auch Scania hat die Zeichen der Zeit erkannt und aktuell in zwei Motorengrössen Erdgasversionen im Angebot. Der Neunliter-­Fünfzylinder OC09 wurde überarbeitet und ihm wurde vom 13-Liter-Sechszylinder OC13 ebenfalls eine Erdgasvariante zur Seite gestellt. Während der OC09 in zwei Leistungsstufen von 280 und 340 PS mit 1350 resp. 1600 Nm erhältlich ist, kommt der OC13 lediglich mit 410 PS und 2000 Nm Dreh­moment. Beide Neunliter-Gasmotoren sind unter anderem in Kombination mit der L-Cab erhältlich.

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