S-Way: Vernetzung, Qualität und Nachhaltigkeit
IVECO lanciert den Nachfolger des Stralis unter der neuen Bezeichnung S-Way. Mit der gründlich überarbeiteten schweren LKW-Reihe geht Iveco stark auf Entwicklungen wie Vernetzung ein, bietet dem Fahrer ein neues Zuhause und hält an der Nachhaltigkeit mittels LNG fest.
Unter dem neuen Namen S-Way vereint Iveco zum einen sein künftiges Schwerlastwagenprogramm. Zum anderen begibt sich Iveco auf jenen integralen Weg, den auch die anderen Hersteller mehr oder weniger explizit eingeschlagen haben. Oder in den Worten von Hubertus Mühlhäuser, dem Vorstandsvorsitzenden von CNH Industrial, dem Mutterhaus von Iveco: «Es ist eine starke Verlagerung in Richtung integrierter, ökonomisch und ökologisch nachhaltiger Transportlösungen, bei der die Dienstleistungen rund um das Produkt wichtiger werden als das Produkt selber.» Die neuen Modelle werden übrigens als Way-Reihe bezeichnet, S-Way ist lediglich das erste, und zwar in Form der am stärksten verbreiteten Langstreckenlastwagen.
Augenfällig ist die umfassend neu gestaltete Kabine, welche technisch auf dem bisherigen Gerippe basiert, aber aerodynamisch und von der Ergonomie her grundlegend überarbeitet wurde. So konnte der Luftwiderstandsbeiwert der mit mutigem V-Kühlergrill versehenen Aussenhaut um zwölf Prozent verbessert werden, was sich mitunter im um bis vier Prozent reduzierten Verbrauch manifestiert. Bemerkenswert! Der Stossfänger ist übrigens mehrteilig, was im Fall einer Beschädigung eine raschere und kostengünstigere Reparatur ermöglicht. Auch in den als X-Way bekannten Baustellenmodellen ist der metallene Stossfänger mehrteilig. Aerodynamisch relevant ist zudem der Umstand, dass die optionale Standklimaanlage vom Dach ins Chassis hinuntergewandert ist.
Platz und Komfort
Der Chauffeur kommt in den Genuss eines neu gestalteten Fahrerplatzes, der heller ist, eine bessere Ergonomie aufweist und sowohl akustisch als auch vom Sitz her komfortabler geworden ist. So wurde der Innenboden flacher gemacht, indem der Mitteltunnelabsatz von 205 auf 95 mm verringert wurde. Dazu wurde der Fahrzeugboden zwar etwas höher gelegt, doch die Kabine wird weiterhin über drei Trittstufen erklommen. Praktisch unverändert geblieben ist die Grundfläche in der Kabine, doch der um rund 35 cm tiefere Raum in der Längsachse im oberen Teil der Kabine vergrössert den Bewegungsspielraum für den Chauffeur spürbar. Namentlich beim Besteigen der oberen Liege und bei der Nutzung der Staufächer ist dies von grossem Vorteil. Mit 2,15 m Stehhöhe kennt das Longhaul-Fahrerhaus des S-Way kaum Einschränkungen.
Auf die Kabinentüren haben die Entwickler ein spezielles Augenmerk gelegt. Als grundlegendes Konstruktionsmerkmal haben die Türen neue Scharnierpunkte erhalten. Zudem ist die Seitenscheibe nun aus einem praktisch komplett versenkbaren Stück, das bisher fest stehende vordere Fensterchen ist verschwunden. Leichter geworden ist die Kabine übrigens nicht, da die Akustikmassnahmen neben den Scharnieren ihren Preis fordern. Doch dadurch hat sich der Geräuschpegel hörbar reduziert, was der Chauffeur auf langer Fahrt besonders schätzen dürfte. Auch die Sitzkonstruktion wurde überarbeitet. Bei Sitzkissen und -lehne sind Materialdichte und -dicke angepasst worden. Und der Einstellbereich ist in der Vertikalen wie in der Horizontalen um mehrere Zentimeter vergrössert worden.
Der Schlafraum verfügt unten über eine feste Liege, die in der Mitte etwas breiter ist. Oben besteht die Wahl zwischen einer Notliege, die auch als Materialdepot dienen kann, und einer zweiten festen Komfortliege mit Leiter.
Bei der Lancierung zeigte Iveco mit den beiden Concept-Kabinen FitCab und MagirusCab, wie individuell der Kunde bestellen kann und wie flexibel man auf Kundenwünsche einzugehen gedenkt. Die FitCab nutzt Innen- und Aussenraum für Gerätschaften und Einrichtungen, mit denen sich ein Fahrer in den Pausen oder am Übernachtungsort körperlich «in Schuss» halten kann. Mit der MagirusCab zielt Iveco mit luxuriösen Materialien und Ausstattungsmerkmalen auf die anspruchsvollsten Kunden ab. Dass die Individualisierung ein gängiger Weg ist, zeigt nur schon die Tatsache, dass beim modernen Iveco beinahe 50’000 unterschiedliche Spezifizierungen möglich sind und im vergangenen Jahr in Madrid ein Stralis im Schnitt nur 2,5 Mal identisch vom Band gerollt ist.
Diesel und Erdgas LNG
Antriebsseitig setzt Iveco vorerst auf effiziente Diesel und auf die Natural-Power-Initiative mit hauptsächlich Flüssiggas (LNG). «Wir werden im Transportwesen noch lange mit dem Diesel unterwegs sein», sind sich Iveco-CEO Gerrit Marx und Marco Liccardo, Leiter der mittleren und schweren Baureihe, einig. Allerdings werde sich der LNG-Anteil in kurzer Zeit auf bis zu 50 Prozent steigern. Zudem geht man davon aus, dass die Bedeutung von LNG in drei, vier Jahren so gross geworden sein wird, dass gebrauchte LNG-Lastwagen von Käufern von Used-Trucks stark nachgefragt sein werden.
Was auf der IAA im vergangenen Herbst mit einem Chassis angekündigt wurde, wird 2020 mit ersten Prototypen näher an die Verwirklichung kommen. Die Rede ist von der Brennstoffzelle und von Wasserstoff. Auch der Energiekonzern Shell ist von Wasserstoff überzeugt, was durch die Ausführungen von Shells Energiestratege Patrick Carré anlässlich der S-Way-Präsentation unterstrichen wurde.
Auf der kurzen Testfahrt-Runde auf Madrids Jarama-Rennstrecke standen ein 480-PS-Diesel und der 460-PS-NP-Gas-Motor zur Verfügung. Die Zeit reichte dabei nicht, um einen tiefen Fahreindruck zu erlangen. Deutlich wurde dabei allerdings, dass die Kabine tatsächlich eine deutlich bessere Geräuschisolation aufweist. Wir werden zu einem späteren Zeitpunkt Fahreindrücke nachliefern, wenn wir den S-Way auch auf der Strasse fahren konnten.
Prädiktiv und vernetzt
Eine neue Connectivity-Box ist das Rückgrat der jetzt umfassend vernetzten Lastwagen der Way-Baureihe. Die in Zusammenarbeit mit Microsoft entwickelte Cloud-basierte Serviceplattform bietet Effizienzunterstützung für den Fahrer, erhöht mit verschiedenen Mehrwertdiensten die Rentabilität in der Logistik sowie beim Flottenbesitzer und erkennt sich anbahnende Pannen beim Fahrzeug frühzeitig. Letzteres verhindert ungeplante Standzeiten und eine längere Nutzung der überwachten Bauteile im Lastwagen. Im flexiblen Unterhalt steckt dank proaktivem Fahrzeug-Monitoring auch die Möglichkeit, die Werkstätten in die Überwachungsabläufe mit einzubeziehen. Zudem kann der Lastwagen bei Bedarf über die Cloud mit einem Software-Update oder einer Umprogrammierung einer Komponente aus der Ferne versorgt werden. Die Ferndiagnose funktioniert genau gleich wie in den Werkstätten, findet über eine hochgesicherte Datenverbindung statt und wurde erstmals mit dem erst kürzlich vorgestellten Iveco-Van Daily vorgestellt. Ein Software-Update kann jedoch nur bei stehendem Fahrzeug eingespielt werden.
Ein weiteres Angebot in der neuen Vernetzung ist das Flottenmanagement «Verizon Connect», das nicht in erster Linie für den Fahrer, sondern für den Flottenmanager gedacht ist. Bestehen bleibt auch das vor zwei Jahren mit dem Stralis NP eingeführte Angebot der Michelin Solutions. Diese auf die Gasfahrzeuge ausgelegten Apps werden nicht nur für bestehende Nutzer weitergeführt, sondern auch mit dem S-Way NP erhältlich sein.
Qualität im Fokus
Die Kunden haben den Stralis bislang gut bewertet, aber sie übten oft Kritik an der Qualität der Fahrzeuge. Das hat man sich zu Herzen genommen und grundsätzliche Anpassungen auf die Lancierung der Way-Reihe hin vorgenommen. Das Werk in Madrid wurde umgebaut und auch die Prozesse in anderen Produktionsstätten wurden neu ausgerichtet. Diese sind voll vernetzt und beinhalten beispielsweise auch die Kontrolle der Werkzeuge und der Anziehkräfte von Schrauben. Neben einer massiv verbesserten Ergonomie in den einzelnen Arbeitsschritten hilft unter anderem die hochgradige Robotizierung der Abläufe. Die Produktion des S-Way ist bereits angelaufen, wobei die ersten Kundenfahrzeuge jetzt im Herbst an die Hand genommen werden.
Parallel zum neuen Way-Modell wird der aktuelle Stralis für aussereuropäische Märkte weiterproduziert. Sobald der Serienanlauf überstanden ist, wird Iveco im kommenden Jahr neben den 2,5 m breiten Kabinen auch 2,3-m-Kabinen liefern. Ebenfalls im kommenden Jahr werden spezielle X-Way-Lösungen (Baustelle) mit Erdgas (LNG und CNG) auf den Markt gebracht. Bis im Herbst 2020 will Iveco zudem die Reaktionen auf die Konzept-Kabinen FitCab und die MagirusCab auswerten und gegebenenfalls das Thema Sonderkabinen grösser bedienen. Das könnte beispielsweise für spanische Kunden in Form einer PegasusCab sein.