Iveco setzt besonders auf Erdgas-Motoren
ERDGAS IM LASTWAGEN Mit dem neuen Stralis NP460 haben die Italiener einen Motor im Angebot, der mit 460 PS für die meisten Einsätze von Kurz- bis Langstrecke geeignet ist. Im Bedarfsfall kann der gleiche Truck mit LNG und CNG zusammen ausgerüstet werden.

Lange Zeit galt Erdgas als ungeeignet für den Einsatz im LKW, einzig Kosten und Emissionen waren als Gründe brauchbar, die Leistungsfähigkeit hingegen lag weit hinter den herkömmlichen Verbrennungsmotoren. Iveco arbeitet gleichwohl seit über 20 Jahren am Gasmotor und konnte schliesslich 2016 mit dem Cursor 9NP einen Motor präsentieren, der in allen Belangen mit dem Diesel mithalten konnte. Dabei liegen die generellen Gasvorteile auf der Hand, denn neben der CO2-Reduktion, die abhängig von der Gasherkunft zwischen 30 und praktisch 100 Prozent beträgt, fallen 60 Prozent weniger NOx an und die Partikel werden praktisch eliminiert.
Im vergangenen Jahr folgte im Stralis NP460 ein weiterer neuer Motor, der Cursor 13NP. Bei ihm ist sich Iveco-Präsident Pierre Lahutte sicher, dass er nicht nur gleichauf ist mit dem Diesel, sondern diesen gar schlägt. Mit 460 PS Leistung liegt der Motor in jener Grössenordnung, die in Europa als Hauptsegment angesehen werden kann. «Mehr Leistung wäre möglich gewesen», sagt Lahutte. Doch mehr Leistung heisse automatisch auch mehr Verbrauch. «Das Streben nach noch mehr Leistung ist heute vorbei. 460 PS war ein bewusster Leistungsentscheid.»
Qual der Wahl Wie die meisten Erdgasmotoren arbeitet der von FPT entwickelte Iveco-Motor nach dem Otto-Prinzip, hat dementsprechend eine stöchiometrische Verbrennung und löst die Verbrennung mittels Zündkerze aus. Die Abgasnachbehandlung kommt ohne Zusatzstoffe aus und ist im Verhältnis zum Diesel um ein Vielfaches einfacher. Etliche Teile beim Cursor 13NP mussten angepasst werden, was mit der höheren Abgastemperatur und der geringeren Schmierfähigkeit von Erdgas zusammenhängt. Insgesamt ist mit rund 30 Prozent höheren Herstellungskosten gegenüber dem Diesel zu rechnen, gleichwohl rechnet Iveco – unter anderem wegen der Treibstoffpreise – mit einer Reduktion der Gesamtkosten TCO um immerhin 9 Prozent.
Der Erdgasmotor ist über das komplette Stralis-Sortiment erhältlich, so auch in der neuen Baustellenreihe X-Way. Je nach Einsatzzweck oder Infrastruktur kann der Cursor 13NP mit tiefgekühltem, flüssigem LNG-Gas oder mit Druckgas CNG ausgestattet werden. Je nach Tankgrösse kann mit einer Betankung zwischen 570 km (CNG) und bis zu 1600 km (LNG) weit gefahren werden. In der Schweiz, wo keine LNG-Tankstelle vorhanden ist, wird das Schwergewicht auf der CNG-Ausstattung liegen (siehe Seite 22).
Als aussergewöhnliche Option kann der gleiche Stralis NP460 mit beiden Tanksystemen zusammen ausgerüstet werden. Allerdings können CNG und LNG nicht gleichzeitig genutzt werden, sondern müssen mittels Schalter im Fahrerhaus gezielt angewählt werden. Der Grund liegt in der bei LNG und CNG wegen der Druck- und Temperturverhältnisse unterschiedlichen Umwandlungseinheiten, die das Gas vor der Einspritzung in den Brennraum in eine zündfähige Konsistenz abändern. Insgesamt eine aussergewöhnliche Ausstattungsflexibilität, die sich auch in der jeweiligen Tankgrösse fortsetzt, indem mit kleineren Tanks Platz am Fahrgestell für weitere Komponenten geschaffen werden kann. Details zur Angebotsbreite finden sich in der Systemtabelle.
Kombiniert wird der Motor mit der neusten Ausführung des modernen Hi-Tronic-Getriebes, der automatisierten 12-Gang-Schaltbox von ZF. Gegenüber früheren Getrieben bietet das Hi-Tronic eine grössere Spreizung und wartet dank reduzierter Ölmenge (11 statt 12,5 Liter) mit geringeren Reibwerten auf. Die neue Schaltsoftware ist besser auf das Triebwerk abgestimmt und sorgt im Silentmode dafür, dass der Motor mit maximal 1500 U/min dreht. Damit wird ein weiterer Vorteil des Gasmotors zusätzlich verbessert, denn dank geringerer Verdichtung (Diesel 17:1, Erdgas 12:1) hat der Gasmotor von Grund auf ein leiseres Laufgeräusch.
Impressionen Auf den Probefahrten in der Region von Ulm kristallisierten sich die Eigenschaften und Vorteile des Stralis NP460 heraus. Unser mit CNG bestückter 40-Tonnen-Sattelzug fuhr sich ohne Unterschiede zu einem herkömmlichen Dieseltruck, einzig mit seiner besseren Laufkultur konnte der Gasmotor besonders punkten. Rollverhalten, Schaltstrategie, vorausschauende Tempomatregelung – hinter dem Lenkrad ist keine Umgewöhnung nötig. Die Abstimmung der Komponenten ist dabei gut gelungen, sodass es sich beim Stralis NP460 wie bei anderen modernen Lastwagen lohnt, die Systeme ihre Regelarbeit mit minimalstem Eingriff tun zu lassen und sich auf die Lenkarbeit zu konzentrieren.

Support von Michelin Solutions In Zusammenarbeit mit Michelin Solutions stehen im Stralis NP drei neue Dienste serienmässig zur Verfügung. Sie sollen das Chauffeurleben erleichtern und dem Fuhrparkhalter helfen, die Kosten niedrig zu halten. Es handelt sich um einen Routenplanungsdienst «My Bestroute», um ein Fahrtrainingstool «My Training» und um ein Tool für die einfachere und raschere Abfahrtsvorbereitung «My Inspection».
Letzteres ist eine Smartphone-App, die den Chauffeur Schritt für Schritt durch die Tagesinspektion des Fahrzeugs führt. Schäden fliessen via Smartphone-Kamera direkt in den Rapport ein, denn nach Abschluss des Checks werden die Angaben sofort in die Datenbank eingespeist und geben dem Flottenmanager Einblick in den Zustand des Fahrzeugs. Unterstützt wird der Fahrer dabei durch die Leuchtentaste auf der Fernbedienung für die Türentriegelung, die für den einfacheren Check alle Leuchten ein- resp. ausschaltet. In Kombination erleichtern die App und die Leuchtentaste den Arbeitsbeginn des Fahrers substanziell.
My Training ist ebenfalls eine Smartphone-App, welche die Fahrdaten des LKW ausliest und das Fahrverhalten des Chauffeurs auf dessen Phone bewertet. Es ist auch die Basis für ein dem Patron nicht einsehbares Wettbewerbs-Tool, bei dem sich die Fahrer der gleichen Firma gegenseitig bezüglich ökologischen Verhaltens messen können. Dabei werden sie mit Punkten belohnt, die der Fahrer bei Amazon beim Produktekauf einlösen kann.
Die Routenplanung My Bestroute wiederum ist ein Tool für den Disponenten, das ihm für die vorgesehenen Zwischen- und Endziele bis zu sechs Routen vorschlägt. Dabei werden auch die vorhandenen Gastankstellen mit in die Vorschläge eingebunden. Die ausgesuchte Route wird dem Fahrer aufs Smartphone übermittelt. Bei aussergewöhnlichen Vorfällen auf der Route (Staus, Umleitungen) nimmt das System keine automatische Neuberechnung vor, der Fahrer ruft den Disponenten an und erhält von ihm neue Anweisungen und Routendaten. My Bestroute kann auch Kostenvergleiche zu einem Dieseleinsatz errechnen, um beispielsweise bei gemischten Antriebsflotten den richtigen Lastwagen für die richtige Ladung zu eruieren.
Mit Fug und Recht darf Iveco als einer der wichtigen Vorkämpfer für den Einsatz von Erdgas im modernen Lastwagen gesehen werden. Doch der Alleingang ist nun vorbei. «Wir sind sehr froh, dass auch Volvo und Scania Erdgaslösungen für den Langstreckeneinsatz auf den Markt bringen», sagt Pierre Lahutte, «denn es ist auf Dauer schwierig, den Markt alleine zu entwickeln.»
Einsatzvarianten von Erdgas LNG und CNG
Mittels unterschiedlicher Tankgrössen lassen sich die Fahrzeuge den benötigten Ansprüchen anpassen. Zudem besteht nicht nur die Wahl zwischen LNG und CNG, beim Stralis NP460 können die beiden Tanksysteme «gemischt» werden.
Die Möglichkeiten auf einer 4×2-Zugmaschine mit LNG-Tanks von 250 bis 540 Litern Fassungsvermögen:
LNG Doppeltank: Reichweite bis 1600 km
LNG Einzeltank: Reichweite bis 800 km
LNG & CNG gemischt: Reichweite bis 1100 km
CNG Doppeltank: Reichweite bis 570 km
CNG Einzeltank: Reichweite bis 285 km
Die Möglichkeiten mit anderen Fahrgestellvarianten:
6×2-Zugmaschine LNG: Reichweite bis 750 km
Low-Zugmaschine LNG: Reichweite bis 1150 km
2-/3-Achs-Fahrgestell LNG: Reichweite bis 1600 km