Jetzt heisst es definitiv «Aufschliessen, bitte!»

PLATOONING Erprobungshalber fahren auf deutscher Autobahn erste im Platooning-Verfahren verbundene Lastwagen. Die geregelten kurzen Abstände zwischen den LKW sollen mehr Sicherheit und deutliche Verbrauchsverbesserungen bringen. Das Pilotprojekt von DB Schenker und MAN beleuchtet den Alltagseinsatz im Stückgutverkehr.

MAN DB Schenker TGX Platooning TIR transNews
Für die Praxiserprobung von Platooning im Stückgutverkehr nutzt DB Schenker TGX-Lastwagen von MAN. Der Pilotversuch findet zwischen München und Nürnberg statt.

Das Fahren im Konvoi mit geringen Abständen zwischen den Fahrzeugen sorgt für aerodynamische Vorteile und damit für die Verringerung des Treibstoffverbrauchs. Davon sollen in Zukunft schwere Nutzfahrzeuge profitieren. Allerdings müssen die für solche sogenannten Platoons mit einer «unsichtbaren elektronischen Deichsel» verbundenen Lastwagen technisch entsprechend ausgerüstet sein. Wie das automatisierte Fahren im Personenwagensektor lässt sich auch das Platooning den SAE-Levels 1 bis 3 zuordnen. Es kann entweder nur die Längs- oder auch die Querführung übernommen werden.

Digitales Testfeld Autobahn Die zwei vernetzten Lastwagen, die seit Ende Juni im Testbetrieb auf der A9 zwischen München und Nürnberg unterwegs sind, sollen ab Anfang August auf der 145 Kilometer langen Strecke täglich Stückgut wie Maschinenteile, Getränke oder Papier transportieren. Die Testfahrten auf dem «digitalen Testfeld A9» erfolgen auf Stufe 2 des automatisierten Fahrens: Der Fahrer wird assistiert, muss jedoch alle Funktionen permanent überwachen. In diesem wissenschaftlich begleiteten Pilotprojekt arbeitet das Logistikunternehmen DB Schenker mit Fahrzeughersteller MAN sowie mit der Hochschule Fresenius zusammen. Das Projekt wird mit rund zwei Millionen Euro durch den Bund gefördert.

Zu einem Platooning-Verbund gehören mindestens zwei Fahrzeuge, die mithilfe von technischen Fahrassistenz- und Steuersystemen hintereinanderfahren. Alle im Platoon fahrenden Fahrzeuge sind durch ein Car-to-Car-Kommunikationssystem miteinander verbunden. Das führende Fahrzeug gibt die Geschwindigkeit und die Richtung vor. Zur Fahrzeugsensorik gehören eine Frontkamera, Radar- und Lidarsensoren sowie eine WLAN-Antenne.

Als Vorteile des Platoonings nennen die Entwicklungspartner zum einen die Sicherheit, die sich durch das teilautomatisierte Fahren ergibt, zum andern die durch die aerodynamische Verbesserung erzielbare Verbrauchssenkung. Im Weiteren darf auch mit einer Entlastung des Fahrers sowie mit einem beträchtlichen Platzgewinn gerechnet werden, reduziert sich doch die Gesamtlänge im Fall der beiden am Pilotversuch beteiligten MAN-Fahrzeuge des Typs TGX von 88 auf 50 Meter.

Die Chauffeure werden seit Beginn des Projekts im Mai 2017 und der Übergabe der Testfahrzeuge durch MAN im Februar dieses Jahres mit intensiver Schulung auf ihre Arbeit im Fahrerhaus vorbereitet. Dabei erforscht die Hochschule die psychosozialen und neurophysiologischen Auswirkungen der Platooning-Technologie auf die Fahrer mit einer begleitenden Studie.

Nichts für die Schweiz? Was für ein grosses Land wie Deutschland Gültigkeit hat, muss für die Schweiz nicht unbedingt tauglich sein. In der Studie des Bundesamtes für Strassen (Astra) vom August 2017 – «Chancen und Risiken des Einsatzes von Abstandshaltesystemen sowie des Platoonings von Strassenfahrzeugen – Machbarkeitsanalyse» – lassen sich schnell auch Probleme solcher Platoons erkennen. So dürfte etwa die Notwendigkeit, den Platoon-Verbund in Autobahntunnels sowie im Bereich von Ein- und Ausfahrten aufzulösen, zu grösseren Schwierigkeiten führen. Allerdings könnten laut Studie bis zu 80 Prozent der Strecken im Platooning-Betrieb gefahren werden, wenn durch die Nutzung einer eigenen Fahrspur keine Auflösung bei Ein- und Ausfahrten notwendig würde.

Neben der Dichte der Ein- und Ausfahrten stellen in unserem Land aber auch die Streckenabschnitte mit Steigungen und Gefällen technische Herausforderungen dar. Aus­ser­dem werden in der Schweiz nur verhältnismässig kurze Distanzen zurückgelegt. Darüber hinaus ist für das Platooning auch auf Schweizer Strassen derzeit noch eine Ausnahmebewilligung nötig, da Fahrzeuge grundsätzlich nicht mit einem so kurzen Abstand unterwegs sein dürfen.

Ein kommerzieller Einsatz von Lastwagen im Platooning in der Schweiz dürfte also erst mittelfristig zu erwarten sein. Da laut Studie die Vorlaufzeit für ein Pilotprojekt rund 12 bis 18 Monate beträgt, könnte ein Schweizer Pilotprojekt für Truck-Platooning frühestens im Sommer 2019 gestartet werden. Allerdings werden in den nächsten Jahren umfassende Feldversuche in mehreren europäischen Ländern weitere Erkenntnisse bringen.

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