Fahrbericht: Mit dem Scania V8 ­alles im Griff

SCANIA V8 In Europa bietet Scania inzwischen als einziger Lastwagenhersteller V8-Motoren an. Alle übrigen Hersteller sind für ihre Topmotoren auf grossvolumige Reihensechszylinder ausgewichen. Die neue V8-Generation bringt zugleich diverse Aufwertungen bei Getriebe und Tempomat-Steuerung, die sich auf den Verbrauch positiv niederschlagen.

Scania V8 Fahrbericht TIR transNews
Von aussen ist die Motorisierung lediglich anhand des V8-Schrift­zuges zu erkennen. Unterwegs weiss der grosse Hubraum des Scania V8 sehr zu überzeugen.

Mit den neuen Fahrerhäusern hat Scania vor knapp zwei Jahren auch erst eine reduzierte Motorenpalette eingeführt. So war bei den V8 lediglich der 730 PS leistende Topmotor im Angebot. Inzwischen hat Scania vom 16-Liter-V8 drei weitere Versionen nachgeschoben, mit 520, 580 und 650 PS, und zugleich die Fünfzylindermotoren für die nun ebenfalls neuen, kleineren Fahrerhausvarianten neu aufgelegt. Wie die 13-Liter-Reihensechszylinder arbeiten die drei neuen V8 und die neuen 7-Liter-Motoren mit SCR-only-Abgasnachbehandlung, während einzig der 730-PS-V8 weiterhin ein AGR-System zum Einsatz bringt.

Für unsere Testrunde stellte Scania den Basis-V8 mit 520 PS und ein R-Fahrerhaus mit der üblichen Vollauslastung des Zuges von knapp 40 Tonnen vor unsere Haustüre. Mit lediglich 20 Mehr-PS als der leistungsstärkste 13-Liter-Reihensechser kommt es auf den ersten Blick beinahe einer Philosophiefrage gleich, ob die Wahl auf den Sechszylinder oder den V8 fällt. Allerdings können wir die Faszination nicht verleugnen, die der Scania V8 ausstrahlt und die vom Arbeitsgeräusch dieses 16-Liter-Motors ausgeht. Mit drei Litern mehr Hubraum und 20 Zusatz-PS geht jedoch auch ein grösseres Drehmoment einher, das mit 2700 Nm immerhin um 150 Nm höher liegt, aber sowohl bei Sechszylinder als auch bei V8 sein Plateau zwischen 1000 und 1300 U/min anstehen hat.

Inwieweit die Verbrauchsverbesserung gegenüber dem vor Jahresfrist geprüften R500 auf diese Kraftreserven zurückzuführen ist oder eher aufs Konto der nochmals verbesserten Cruise-Control-Systeme geht, ist in sich wenig relevant. Bemerkenswert jedoch ist, dass sich auf unserer rund 165 km langen Testrunde mit einem Verbrauchsschnitt des V8 von 33,05 l/100 km der Schnitt zum R500 um ziemlich exakt einen Liter reduziert hat.

Etwas Scania V8 Motoren-Technik

Mit Bezug auf die Abgasnachbehandlung haben Motoren, die im Verhältnis zur Hubraumgrösse eine relativ geringe Leistung abgeben, potenziell ein Problem. Speziell bei geringer Last kann der hohe Luftdurchsatz die Abgastemperatur für eine effiziente Nachbehandlung zu stark abkühlen. Aus diesem Grund hat Scania beim V8 mit 520 PS, aber auch beim mit 370 PS leistungsschwächsten 13-Liter-Reihensechser die sogenannte Miller-Cycle-Ventilsteuerung zur Anwendung gebracht. Andere Hersteller setzen ebenfalls auf «Miller», bringen die Technik jedoch über einen grösseren Teil ihrer Motoren­palette zur Anwendung. Beim Miller-Cycle wird über ein spezielles Nockenwellenprofil das Einlassventil während der Kompressionsphase etwas länger offen gehalten mit dem Resultat, dass zu Beginn der Kompression noch etwas Frisch­­luft aus dem Brennraum entweicht. Dadurch kann die Arbeitstemperatur zugunsten einer effizienteren Abgasnachbehandlung höher gehalten werden.

Gegenüber der bisherigen V8-Generation sind auch die Auspuffkollektoren neu verlegt. Sie führen zum neuen Turbolader, der ohne variable Turbinengeometrie auskommt und von den Abgasströmen beider Zylinderbänke aufgeladen wird. Der dank fixer Turbinengeometrie leichter und robuster bauende Turbo ist direkt auf dem Motorblock im V der Zylinderbänke montiert.

Als weitere Verbrauchsoptimierung nutzt Scania in den neuen V8-Motoren intelligente Zusatzaggregate für Ölpumpe, Motorkühlung, Bremsdruckkompressor, Lenk­pumpe und Klimaanlage. Sie sind bedarfsgesteuert und belasten den Motor bei Nichtgebrauch nicht unnötig.

Scania V8 Fahrbericht TIR transNews
In Europa ist der V8 ein rares Gut geworden. Gut ersichtlich die unkomplizierte Abgasführung zum Turbolader.

Mehr Assistenz Unterwegs spürt man von der Funktionsweise der ausgeklügelten Antriebsstrangtechnologie nicht viel. Hingegen sind die erweiterten Assistenzfunktionen von spürbarem Nutzen. Der Abstandstempomat funktioniert bis zum Stillstand, was sich im Stau oder im Stop-and-go-Verkehr als angenehme Unterstützung erweist. Durch eine neu geregelte Geschwindigkeitskontrolle wird verhindert, dass das sogenannte Overspeed zur Mitnahme der kinetischen Energie über die gesetzlich zulässige Zeit dauert, und zwar ohne Zutun des Fahrers. Overspeed ist Teil der Predictive-Funktion des Tempomaten.

Ebenfalls Teil des Predictive-Tempomaten ist die neue Funktion «Pulse and Glide», mit der auf einem Streckenabschnitt mit nur geringem Gefälle die Eco-Roll-Funktion verbessert werden kann. Erst erhöht der Lastwagen sein Tempo leicht (Pulse), um dann in die Eco-Roll-Phase zu wechseln (Glide). Letztere kann dank der höheren Ausgangsgeschwindigkeit deutlich länger andauern. Im Betrieb spürt nur der besonders aufmerksame Fahrer dieses Hoch und Runter der Geschwindigkeit. Sie bringt bis zu einem halben Prozent Verbrauchseinsparung und ist im Eco-Mode grundsätzlich aktiv.

Unterwegs im Scania V8

Im mit nur geringen Steigungen und einem längeren Gefälle versehenen Autobahnabschnitt zwischen Egerkingen und Kerzers scheint der V8 keine besonderen Vorzüge zu besitzen, einmal abgesehen vom wohltuenden V8-Sound des 16-Liters. Der Blick auf die Verbräuche zeigt jedoch, dass ein Teil des Verbrauchsvorteils bereits im Teillastbereich herausgefahren wird, denn für die rund 67 km lange Strecke flossen beim Sechszylinder 17,6 Liter Diesel durch die Einspritzdüsen, beim V8 waren es 17,05 Liter. Auch auf der gemischten Strecke durchs Berner Seeland bis in die Uhrenmetropole Biel sind keine besonderen Vorteile des grösseren Antriebsstranges zu vermelden, wobei die Staufunktion des Tempomaten im Stadtverkehr tatsächlich eine Entlastung hinter dem Steuer bringt.

Auf der steilen Bözingen-Rampe, die von Biel auf der Transjuranne in die Jurahügel führt, spielt der V8 mit seinem höheren Drehmoment sein Potenzial durch eine höhere Minimalgeschwindigkeit aus. Während der R500 auf bis zu rund 45 km/h zurückfällt, zieht der R520 mit V8 mit 49 km/h deutlich schneller die Rampe hoch. Wird der Eco-Modus zusätzlich deaktiviert, sind es gar 52 km/h. Die dank der Vorgelegewellenbremse sehr kurzen Gangwechsel spielen eine weitere Rolle, damit kein unnötiger Schwung verloren geht. Im ebenfalls steilen Pierre-Pertuis-Tunnel ist der Scania V8 der bisher einzige Truck unserer aktuellen Test­reihe, der im zehnten Gang verbleibt und nie langsamer als 60 km/h wird; der Sechszylinder konnte den zehnten Gang nicht halten und fiel daher auf 52 km/h zurück.

Kurzimpressionen R450

Kurze Zeit vor dem V8 sind wir auch mit der 450-PS-Version des 13-Liter-Reihensechsers über den Parcours unterwegs gewesen. 70 PS weniger Leistung und 350 Nm weniger Drehmoment zeigten keine substanziellen Verbrauchsnachteile, denn der R450 absolvierte die 165 km lange Route wie der R500 im Schnitt mit einem Liter mehr als der V8. In der Durchschnittsgeschwindigkeit jedoch machen sich die Kraftreserven des V8 spürbar: Er legt die 165 km mit einem Schnitt von 61 km/h zurück, beim R450 waren es 57 km/h.

So bleibt die Entscheidung für den Scania V8 vielleicht doch nicht nur eine Philosophiefrage. Die Kraftreserven bringen auch handfeste Vorteile, speziell, wenn es in anspruchsvolles Terrain mit grossen Steigungen geht.

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Das Cockpit hat viele Anzeige­möglichkeiten. Die Handbremse ist optional auch mit ­elektrischer Betätigung erhältlich.
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