Von Übungsabbruch ist bei HHM keine Rede – im Gegenteil
WASSERSTOFFKREISLAUF Auf der IAA Hannover vor sechs Jahren wurde der Grundstein für den Wasserstoffkreislauf in der Schweiz gelegt. Die rund 50 Brennstoffzellen-LKW von Hyundai Hydrogen Mobility (HHM) haben in der Schweiz bereits über 10 Mio. Kilometer zurückgelegt.
Energiewende ist im Transportsektor nicht nur eine Worthülse, sondern hat sich zu einem festen Faktor für Transportunternehmen und Fahrzeughersteller entwickelt. Über die vergangenen Jahre hat TIR transNews zunehmend über die intensiven Anstrengungen im Nutzfahrzeugsektor berichtet. Auch viele, die heute auf Transportleistungen angewiesen sind, haben im Licht der Klimakrise eigene Nachhaltigkeitsziele entwickelt und stellen entsprechende Forderungen an die Spediteure. Dabei hilft die zunehmende Verfügbarkeit von batterieelektrischen Lastwagen. Doch elektrisch geht auch mittels Wasserstoff und Brennstoffzelle, wo an Bord des Lastwagens der Strom direkt aus dem mitgeführten Wasserstoff generiert wird. Hier ist Hyundai Hydrogen Mobility (HHM) führend in der praktischen Umsetzung.
Anders als bei den batterieelektrischen LKW (BEV), wo heute praktisch jeder OEM in Europa mit einer Serienlösung bereit ist, gibt es weltweit aktuell nur einen OEM, der homologierte und seriengefertigte FCEV-LKW, also Brennstoffzellenlastwagen, anbieten kann. Nach etlichen Jahren Erfahrung im Personenwagenbereich war Hyundai im Jahr 2020 mit dem LKW Xcient Fuel Cell auch in den schweren Nutzfahrzeugbereich eingestiegen. Und zwar nicht irgendwo, sondern hier in der Schweiz. Wir haben seither ausführlich darüber berichtet, hier nochmals die wichtigsten Schritte im Schnellrückblick:
- Nach intensiver Überzeugungsarbeit und geschicktem Verhandeln hatten H2energy aus Zürich und Hyundai im September 2018 anlässlich der IAA Hannover die Absichtserklärung unterzeichnet, welche die Basis für den Aufbau des heutigen Wasserstoffkreislaufs in der Schweiz schaffte (TIR 10/2018).
- Juni 2019 Gründung von Hyundai Hydrogen Mobility (HHM) mit Sitz in Zürich.
- Ende 2019 Inbetriebnahme der Wasserstoffproduktion beim Wasserkraftwerk Niedergösgen (Alpiq).
- Übers Jahr 2020 Errichtung der ersten sieben Wasserstofftankstellen (heutiger Stand 18).
- Im Herbst 2020 beginnt sich der H2-Kreislauf zu drehen, als die ersten Hyundai-Lastwagen an Transporteure und Grossverteiler übergeben werden.
Projekt im Wandel
Heute fahren rund 50 Lastwagen in der Schweiz, mit denen seit dem Start gut 10 Mio. Kilometer zurückgelegt wurden. Für die gleiche Laufleistung hätten herkömmliche Dieseltrucks rund 3,2 Mio. Liter Diesel verbraucht. Somit wurden mit den Hyundai-Trucks weit über 8500 Tonnen CO₂ eingespart. Dabei laufen die Fahrzeuge sehr zuverlässig und geben – trotz der neuartigen Technologie – kaum Anlass zu Kritik. «Wir sind mit der Zuverlässigkeit sehr zufrieden», sagt Beat Hirschi, CEO von HHM in Zürich. Hyundai habe damit die Machbarkeit des Brennstoffzelleneinsatzes klar unter Beweis gestellt. «Die Magie liegt in der Konfiguration von Batterie und Brennstoffzelle auf den Schwerlastverkehr», weiss Hirschi. «Und da haben die Koreaner einen Topjob gemacht.» Rechnet man das gute Vierteljahrhundert Erfahrung beim Personenwagen mit ein (Start 1998), baut der Hersteller aus Korea inzwischen auf über 300 Mio. Kilometer Brennstoffzellenerkenntnis auf.
Gleichwohl: Nach ursprünglicher Projektidee würden heute bereits 1000 und mehr FCEV-Lastwagen in der Schweiz zirkulieren. Dass es bei den 50 geblieben ist, veranlasst Aussenstehende denn auch wiederholt dazu, laut über das Aus des Leuchtturmprojekts und über den Ausstieg des Konzerns aus HHM zu spekulieren. Beat Hirschi schüttelt darob nur den Kopf. «Man darf vom Schweizer Markt nicht auf Europa schliessen.» Man sei aktiv daran, die Strukturen weiter zu stärken und das Angebot weiterzuentwickeln.
Die Hauptgründe dafür, dass sich das Projekt bald einmal anders auszugestalten begann, als ursprünglich vorgesehen, liegen in den Umwälzungen, welche die Pandemie und der Angriffskrieg von Russland auf die Ukraine auslösten, aber auch in der Energiesituation, welche von der Abschaltung von Kohle- und Atomkraftwerken herrührte. «Wir haben nicht mehr die gleiche Ausgangslage vom Jahr 2020», so Hirschi. Statt einer ursprünglich erhofften Verringerung des Wasserstoffpreises sorgt der heute rund doppelt so hohe Energiepreis für deutliche Mehrkosten. «Diese schlagen sich bei uns sofort nieder.» Auch sonst sei der allgemeine Kostendruck bei den Endkunden gross, weshalb diese sich mit der Beschaffung teurerer neuer Technologien schwertäten.
Neue Einsatzmöglichkeiten
Limitiert war HHM länger auch durch die sehr beschränkte Möglichkeit der Fahrzeugkonfiguration. Diese bestand anfangs aus nur einem 4×2-Radstand (19 Tonnen) und Kofferaufbau. Inzwischen gibt es ihn auch als 6×2 (27 Tonnen), mit Plane und mit Wechselbrücke und für beide Achsversionen kann aus je vier Radständen gewählt werden. In nächster Zukunft ergänzen Kranlösungen und Hecklader sowie eine ePTO-Schnittstelle das Angebot des Hyundai Xcient Fuel Cell und es kommen Versionen als Abfallsammler und Absetzkipper dazu. Damit zielt HHM auf Anwender wie Städte und Gemeinden, bei denen das Erreichen der Nachhaltigkeitsziele höher gewertet wird als Anschaffungspreise von Fahrzeugen.
Die Expansion in europäische Länder war von Anfang an Teil der HHM-Idee. Diese wurde durch das ins Stocken geratene Wachstum in der Schweiz jedoch beschleunigt. Bereits im April 2022 wurde HHM Germany als 100-prozentige Tochter von HHM in Zürich gegründet. Das neunköpfige Team um Geschäftsführer Charles Cambournac (48) baut das Servicenetz aus, das heute deutschlandweit bereits 15 Händler mit 75 zertifizierten Servicemechanikern umfasst. Das Geschäftsmodell in Deutschland sieht anders aus als in der Schweiz und die Lastwagen werden an die Kunden verkauft. Beim Projektstart im Jahr 2019 war ja nicht klar, wie zuverlässig die Lastwagen schliesslich funktionieren würden, weshalb hierzulande auf ein Pay-per-use-Modell gesetzt wurde, um das Risiko für den Endkunden zu minimieren. Auch bestand und besteht die einzige staatliche Fördermassnahme im Erlass der LSVA, in Deutschland gab es 2022 noch satte Fördergelder. Aktuell sind bereits rund 50 Lastwagen an deutsche Kunden ausgeliefert worden, bis Ende Jahr soll die Zahl gemäss Cambournac auf rund 100 anwachsen. Mit den Fahrzeugen in Deutschland wurden bereits über 1 Mio. Kilometer zurückgelegt, zusätzlich zu den 10 Mio. in der Schweiz.
Europa-Expansion von HHM
Mit Cambournac als erstem Geschäftsführer im europäischen Ausland bewies HHM-CEO Beat Hirschi eine glückliche Hand. Mit Muttersprache Französisch ist Cambournac auch der ideale Verhandlungspartner beim zweiten Expansionsschritt, der über die vergangenen Wochen in Frankreich Realität wurde. Nach einem ersten Fahrzeug Ende 2023 in der Region Nantes sind die Brennstoffzellen-LKW inzwischen auch in Frankreich homologiert und seit Mitte Juli sind zwei weitere Fahrzeuge in Partnerschaft mit Bert You und Hyliko in den Strassen von Paris unterwegs.
Für Österreich hat HHM inzwischen auch einen kompetenten Partner, sodass hier der Markteintritt nur noch eine Frage der Zeit ist. Auch ist HHM in Österreich daran, Brennstoffzellenbusse auf die Strasse zu bringen, die natürlich später auch in anderen europäischen Ländern vermarktet werden können. Zudem werden aktiv Gespräche mit Kunden und Infrastrukturbetreibern in Italien und Spanien geführt. Dabei spielen die Fördergelder in den Ländern eine wichtige Rolle, um den Kaufpreisnachteil der Lastwagen zumindest teilweise kompensieren zu können. In Österreich beispielsweise stehen 850 Mio. € für den Ausbau der Infrastruktur zur Verfügung und von der Stadt Wien wurde eine Preisgarantie für Wasserstoff über die nächsten Jahre von 8 €/kg festgelegt (Preis in der Schweiz ist gut doppelt so hoch). In Norditalien wiederum stehen 110 Mio. € zur Förderung von H2-Infrastruktur zur Verfügung. Entsprechend zufrieden ist Beat Hirschi mit der Entwicklung: «Es geht vorwärts, wenn auch nicht in dem Tempo, wie wir Fahrzeuge liefern könnten.»
Eine Fahrzeugablieferung ist beispielsweise in Deutschland innerhalb von vier bis fünf Monaten ab Bestellung möglich. Die Lastwagen werden heute in Korea auf der normalen Fertigung der Xcient-Lastwagen gebaut, während die in der Schweiz verkehrenden Fahrzeuge damals noch von einer speziellen Produktionslinie gerollt sind. Auch in der Ersatzteilelieferung sehen Hirschi und Cambournac bei einer weiteren Expansion keine Schwierigkeiten. Diese liesse sich über Hyundais Ersatzteilgesellschaft Mobis einfach bewerkstelligen. Mobis erledigt bereits heute die Teileversorgung in Europa für 100 000 Fahrzeuge pro Jahr.
Perspektiven
Fahrzeugtechnisch bringt Hyundai in den kommenden Monaten und Jahren nicht nur Cybersecurity-bereite Fahrzeuge (GSR II), sondern auch solche für diverse zusätzliche Anwendungen, die beispielsweise für Werkhöfe, Kommunen und innerstädtische Baustellen interessant sind. Daneben verändern sich aber die Parameter für die Hersteller und Endkunden leider in hoher Kadenz, was der Investitionssicherheit in keiner Weise zuträglich ist. Hier wünscht sich Hirschi auch von der Politik entsprechenden Weitblick, denn im Transportsektor müssen sich wegen der geringen Margen Investitionen über sieben, acht Jahre amortisieren lassen. Entsprechend fordert er beispielsweise bei der aktuell diskutierten Neukonzeption der LSVA eine Art Investitionsschutz in Form eines gleichbleibenden LSVA-Satzes.
«Die Besteuerung der Transportleistung, wie sie heute durch Maut und LSVA vorhanden ist, wird sich in Zukunft ändern und auch emissionsfreie Fahrzeuge betreffen», ist Beat Hirschi überzeugt. Darauf müsse sich auch HHM vorbereiten. Dabei fordert er jedoch eine Abkehr von der heutigen «Farbenlehre» bei der CO₂-Einstufung von Wasserstoff. Statt in Grün, Grau, Blau und Violett müsste es zu einer Einteilung über den Karbon-Fussabdruck kommen, wie dies bereits in den USA der Fall sei. «Ein als industrielles Nebenprodukt gewonnener Wasserstoff ist zwar nicht grün, aber es ist viel ökologischer, wenn er beispielsweise im LKW eingesetzt wird, als wenn er ungenutzt verpufft und die Atmosphäre um ein Vielfaches stärker belastet.»
Allen Unkenrufen zum Trotz, Hyundai steht zur Brennstoffzelle und stärkt Hyundai Hydrogen Mobility auch weiterhin den Rücken. Das Team um Beat Hirschi und Charles Cambournac treibt die Marktexpansion in Europa zielgerichtet voran, was auch in der Schweiz für zusätzlichen sanften Schub sorgen dürfte. Auch die anderen OEM sehen heute in der Brennstoffzelle und im Einsatz von Wasserstoff generell eine Zukunft, anders kann die zunehmende Geschäftigkeit rund um diesen Energieträger nicht gesehen werden.
Hyundai Xcient Fuel Cell
- Elektromotor mit 350 kW (476 PS) Spitzenleistung, 2250 Nm, Allison-Getriebe
- 2 Brennstoffzellen à 90 kW, Systemleistung 180 kW
- 7 H2-Tanks, 350 bar, Gesamtkapazität 31 kg
- Reichweite 400 km (42-Tonnen-Anhängerzug)
- 4 × 2 und 6 × 2, je vier Radstände
- Koffer- und Planeaufbauten sowie Wechselbrücke schon erhältlich. Lösungen mit PTO folgen, wie Kranlösungen, Hecklader, Abfallsammler