Ausnahmetransport für ausrangierten Rega-Jet
SCHWERTRANSPORT Nach rund 16 Dienstjahren fand der ausgediente Repatriierungs-Jet «HB-JRA» ein neues Zuhause im Verkehrshaus Luzern. Die Überfahrt auf dem Vierwaldstättersee mit anschliessender millimetergenauer Platzierung per Autokran auf drei Stützsäulen war für das Publikum ein Spektakel.
44 Jahre ist es her, dass zum ersten (und bis dato einzigen) Mal ein grosses Flugzeug per Boot über den Vierwaldstättersee transportiert wurde. 1975 fand auf ähnliche Art und Weise das Swissair-Flugzeug Convair Coronado seinen Weg ins Verkehrshaus der Schweiz. Für die spektakuläre Überfahrt vom Militärflugplatz Alpnach direkt ins Verkehrshaus entschied man sich diesmal aus logistischen Gründen: «Mit seiner grossen Spannweite ist der Rega-Jet schlichtweg zu breit für einen Strassentransport. Wir hätten sonst die Flügel abmontieren müssen», erklärt Olivier Burger, Mediensprecher des Verkehrshauses. Eine Überfahrt auf dem See sei deshalb einfacher und eleganter.
Durchgeführt wurde der Ausnahmetransport von der Christen Logistik AG in Küssnacht am Rigi. Drei Wochen dauerte die Vorbereitungszeit, wie Bruno Bucher, CEO der Christen Logistik AG, gegenüber TIR erklärt: «In unserer Werkstatt wurde das spezielle Joch für die Hebeleistungen berechnet und getestet. Wir verlegten die drei Meter breite Schwerlastpiste zuerst in Alpnach, danach in Luzern und befreiten die gesamte Landroute von Behinderungen. Zudem kümmerten wir uns um die Bewilligungen. Natürlich wurde auch die Gesamtroute über Land, Wasser und Luft inspiziert und definiert.» Besondere Herausforderung dieses Transports sei laut Bucher gewesen, «den Flieger so an den Kran zu hängen, dass er gerade blieb». Denn der ausgeschlachtete Zwölf-Tonnen-Jet wog am Bug drei Tonnen und am Heck neun. Die Lösung: «Wir konstruierten ein Trapez mit hängendem Körper, bei dem wir die Gewichtsverteilung einstellen konnten», erklärt Bucher das spezielle Joch.
Zweites Leben für Ambulanzjet
Nach rund 16 Jahren im Dienst der Schweizer Bevölkerung durfte der ausgediente Rega-Jet «HB-JRA» des Typs Bombardier CL-604 in Pension gehen. Im Verkehrshaus der Schweiz in Luzern soll er Besucherinnen und Besuchern als Teil der permanenten Rega-Ausstellung «Medizinische Hilfe aus der Luft» ab dem 16. April 2019 einen vertieften und anschaulichen Einblick in die internationale Tätigkeit der Schweizerischen Rettungsflugwacht ermöglichen. An Führungen wird der Ambulanzjet von innen besichtigt werden können.
Nachdem er zum allerletzten Mal gelandet ist – und zwar auf der Piste der RUAG Aviation in Alpnach –, transportiert Christen Logistik am Donnerstag, 7. März, den Jet mit einem 6×4-Sattelschlepper mit ausziehbarem und höhenverstellbarem Tiefgänger (Goldhofer STZ-VP, 2A) ans Seeufer. «Der Tiefgänger musste vorgängig angepasst werden, damit der Flieger darauf Platz hatte», so Bucher. Am darauffolgenden Morgen, dem 8. März, wird der stählerne Vogel mit einem 130-Tonnen-Autokran LTM1130 von Liebherr (mit 42 Tonnen Gegenballast), mit dem er am Vortag bereits auf den Tiefgänger gehoben wurde, auf ein Pontonboot der Firma Arnold verladen und über den Seeweg Richtung Verkehrshaus der Schweiz verschifft. In Luzern angekommen, lädt ein noch grösserer Mobilkran – nämlich ein LTM1300 mit 300 Tonnen Zugkraft und 96 Tonnen Gegenballast – den Rega-Jet über diverse Bäume auf den Tiefgänger. «Die Problematik an diesem Punkt war, dass wir nicht genau wussten, wie nahe wir mit dem Pontonboot ans Ufer fahren konnten. Deshalb planten wir vorsorglich mit einer höheren Leistung.» Das Sattelmotorfahrzeug muss nun mit dem Flugzeug noch 100 Meter auf der verlegten Schwerlastpiste zurücklegen, bevor der Jet – wieder mit dem LTM1130 – an seinen endgültigen Standort gehievt werden kann.
Für einen Laien absolut verblüffend war schliesslich, wie präzise das Flugzeug mit seinem Fahrwerk auf die drei Säulen zu stehen kam – es ging um Millimeter! Bruno Bucher lüftet das Geheimnis: «Die Säulen wurden von der Christen Bau AG vorgängig betoniert. Für den Flieger haben wir drei spezielle Schuhe für die Räder gemacht, die in Luzern befestigt wurden. Damit diese Schuhe und somit der Rega-Jet dann tatsächlich perfekt auf die Säulen passten, hatten wir zuvor in Alpnach eine Lehre zusammengeschweisst, die beim Betonieren zum Einsatz kam. Anders wäre es gar nicht möglich gewesen.»
Eine Tradition wird fortgesetzt
Mehr als 3,4 Millionen Gönnerinnen und Gönner unterstützen die Rega jährlich und ermöglichen der Schweiz damit ein einmaliges Luftrettungssystem. Als Dank für diese Unterstützung gab die Rega der Schweizer Bevölkerung «ihren» Jet zurück, indem sie ihn dem Verkehrshaus als Schenkung überreichte. Vor der finalen Überführung vom Flugplatz Alpnach nach Luzern wurde das neue Ausstellungsstück präpariert und für sein zweites Leben im Museum vorbereitet. Attrappen sowie optisch intakte, aber nicht mehr verwendbare medizinische Geräte werden später eingebaut. Die Zusammenarbeit hat Tradition: Bereits 2009 hat die Rega dem Verkehrshaus nach einer Flottenerneuerung einen Rettungshelikopter des Typs Agusta A109 K2 geschenkt.
Neun Mitarbeiter der Christen Logistik sind an dem Transport beteiligt. Nach Zeitplan könnten sie es etwas ruhiger angehen und eine Mittagspause einlegen. «Aber wenn wir in Luzern ankommen, ist der Wind ziemlich stark und der Wetterbericht ungünstig», begründet Bucher das speditive Vorgehen. «Bis zu sieben Mitarbeiter müssen zeitweise den Jet stabilisieren, damit er sich nicht dreht. Wir haben daher die ruhige Phase genutzt und dafür die Mittagspause ausgelassen, um durchzuarbeiten.» Die Flexibilität zahlt sich aus. Etwa um halb zwei Uhr ist der Rega-Jet fest auf seinen Säulen verschraubt – drei Stunden vor Plan. Auch Bucher ist zufrieden: «Seit zwei Jahren führen wir Aufträge für das Verkehrshaus aus. Auch für diese Gelegenheit möchten wir uns herzlich bedanken.»