Emissionsfrei in die Innenstadt St. Gallens

CITYLOGISTIK Im Juni 2019 startet die einjährige Pilotphase des Projektes «Emissionsfrei in die Innenstadt» mit der Belieferung der Stadt St. Gallen. Dabei kommt der erste eActros von Mercedes-Benz Trucks zum Einsatz. Die letzte Meile bis zum Warenempfänger in der Fussgängerzone übernimmt der Velokurier «Die Fliege».

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Das sind die Protagonisten im Pilotversuch «Emissionsfrei in die Innenstadt» (v.l.): Cargo-eBike, Cargo-eScooter und Mercedes-Benz eActros.

In Diskussionen über Elektromobilität wird immer wieder die Wichtigkeit der Gesamtbetrachtung ins Feld geführt – sei es über die CO₂-Bilanz bei der Herstellung von Batterien für Elektrofahrzeuge oder über den Nutzen von örtlich begrenzten Fahrverboten für Verbrenner. Auf den Begriff «Gesamtbetrachtung» sind Logistiker natürlich besonders sensibilisiert, denn heute hat im Markt nur Bedeutung, wer die gesamte Logistikkette abbilden oder zumindest direkt beeinflussen kann. Die Camion Transport AG nutzt nun ihre Möglichkeiten für ein einjähriges Pilotprojekt mit dem Tiel «Emissionsfrei in die Innenstadt» – eine intelligente Lösung für die urbane Warenverteilung. Bei diesem Konzept steht klar die Elektromobilität im Vordergrund: Die Waren kommen über Nacht auf der Schiene in den Camion Transport Cityhub nach Schwarzenbach bei Wil. Ab dieser Niederlassung übernimmt der Elektro-LKW den Transport ins gut 30 km entfernte St. Gallen. Dort erfolgt am Mikrohub für die Feinverteilung der Umlad auf ein Cargo-eBike, einen Cargo-eScooter oder auf ein Velo. Der Velokurier schliesst den Weg der «grünen Sendung» in die Fussgängerzone ab. «Die Erfahrungen und Erkenntnisse aus diesem Testjahr fliessen in die weitere Umsetzung unserer langfristigen Zielsetzung ein, ab spätestens 2025 die Innenstädte emissionsfrei zu beliefern», erklärt Bruno Jäger, Verwaltungsrat von Camion Transport. Selbst der Stadtpräsident von St. Gallen, Thomas Scheitlin, weiss um die Bedeutung dieses Pilotprojekts, das die Regierung gespannt verfolgen wird, denn: «Eine innovative Stadt hat auch eine innovative Logistik.»

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Imagegewinn: Selbst beim Transport in die Innenstadt, insbesondere in Fussgängerzonen, wissen die Passanten, wer dahinter steckt.

Mercedes-Benz Trucks’ Pilotkunde
Einen wichtigen Teil dieser emissionsfreien Lieferkette bildet der Elektro-Lastwagen. Mercedes-Benz Trucks schickt seinen eActros mit einer Innovationsflotte von zehn Fahrzeugen in den Kun­den­ein­satz auf die Strasse. Camion Transport ist nun einer dieser Pilotkunden und bekommt das Fahrzeug in einer Art Leasing für ein Jahr zur Verfügung gestellt. Einerseits eröffnet sich so die Chance, den eActros auf Alltagstauglichkeit und Wirtschaftlichkeit unter realen Bedingungen zu testen. Andererseits bekommt auch der Hersteller die Möglichkeit, wichtige Fragestellungen zu beantworten. «Wir testen natürlich auch die Alltagstauglichkeit unseres Lieferkonzeptes», ergänzt Andreas Hollenstein, Leiter Infrastruktur und Umwelt bei Camion Transport. «Wie können Ladezyklen innerhalb des Lieferprozesses platziert werden? Wie aufwendig ist der Unterhalt? Wie gross ist der Energiebedarf und wie sieht es aus mit der Verfügbarkeit?», zählt Hollenstein weitere zu klärende Fragen auf. Und: «Wie ist die Leistungsfähigkeit der Cargobikes bei schlechter Witterung?»

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Blick in den Frachtraum des Cargo-eBikes.

Die letzte Frage richtet sich indirekt an Ueli Traber, Mit­inhaber von «Die Fliege», Partner für die letzte Meile des Konzepts «Emissionsfrei in die Innenstadt». Camion Transport rüstet den Fahrzeugpark des Velokuriers mit elektrisch betriebenen Kleintransportern auf. Auch die Beschriftung der Cargoboxen stimmt mit derjenigen des eActros überein. Die Schnittstelle für den Datentransfer steht bereits und erste Testaufträge führte der Velokurier auch schon durch. «Uns gefiel das Konzept der emissionsfreien Auslieferung auf Anhieb und Camion Transport steht für gleiche Werte ein», so Traber, seit 28 Jahren im Velokuriergeschäft. «Die Effizienz vom Velo in der Stadt ist unerreicht. Von Auftragseingang bis Auslieferung verstreichen bei uns im Schnitt lediglich 60 Minuten. Pro Schicht fährt ein Mitarbeiter 50 bis 70 Kilometer. Cargobikes sind immer wichtiger geworden, denn die Kurieraufträge verlagern sich immer mehr von Dokumenten zu Paketen.»

Elektromobilität im Unternehmen verwurzelt
Das Thema Nachhaltigkeit und besonders auch die Elektromobilität sind in der Firmengruppe seit Langem verankert. Die Schwester­gesellschaft Larag AG hat bereits 1987 das Elektromobil «Larel» gebaut. Dabei handelte es sich um einen elektrifizierten Fiat Panda mit einer Reichweite von siebzig bis achtzig Kilometern. Dieses Elektromobil wurde rund hundertfünfzigmal verkauft und zwanzig bis fünfundzwanzig Jahre gefahren.

«Es liegt viel Arbeit vor uns und wir wissen eigentlich nichts», so Hollenstein. «Das macht uns aber keine Angst, denn wir wissen, wie wir die Antworten bekommen. Wir lernen laufen auf dem Weg zum emissionsfreien Transport.» Zu den Kosten dieses Konzepts äussert sich Bruno Jäger zurückhaltend: «Wir brauchen Erfahrung, sonst können wir keine Aussagen treffen.» Allerdings macht er klar, dass diese Dienstleistung im Markt konkurrenzfähig sein muss: «Kunden sind sehr schwer zu überzeugen, für ökologischen Transport mehr zu bezahlen, denn für sie sind Transportkosten Unkosten.»

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