Cargo24 im Verbund gegen die «Big ­Three»

STÜCKGUT LOGISTIK Cargo24 ist ein Kooperationsverbund von 18 mittelständischen, inhabergeführten Logistik­unternehmen. Total stehen mehr als 1050 Fahrzeuge und eine Lagerfläche von 367 000 m² zur Verfügung. Wir schauten im Zentralhub in Schafisheim vorbei.

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Schafisheim, 21 Grad, die Ladung sitzt: Gleich fahren die Cargo24-Kooperationspartner zu ihren individuellen Hubs.

Neben seinem Betriebswirtschaftsstudium an der Hochschule St. Gallen wollte Robert Einstein «etwas mit den Händen arbeiten», denn er war sich sicher, dass er später in einem Büro landen würde. Mit dem im Militärdienst gemachten LKW-Führerausweis in der Tasche lag es nahe, sich sein Geld mit Fahren zu verdienen – an einzelnen Tagen während des Semesters oder in den Ferien mehrere Wochen am Stück. So lernte er die Sorgen und Nöte der Transportbranche kennen, erkannte aber auch Chancen. «Ich erlebte hautnah, wie der Druck auf die KMU-Transportunternehmen vor allem durch die grossen drei Player zunahm», erzählt Einstein. «Gleichzeitig habe ich bei den mittelständischen Unternehmen die verschiedenen Über- und Unterkapazitäten gesehen und das Potenzial einer flächendeckenden Serviceabdeckung der ganzen Schweiz innert 24 Stunden, und zwar durch gegenseitige Sendungsabgabe.»

Tatsächlich wird der Schweizer Transportmarkt vornehmlich durch die drei Anbieter Planzer, Galliker und Camion Transport dominiert. Diese Firmen besitzen zahlreiche weitere Unternehmen und sind zudem zusammen an diversen Firmen beteiligt, wie jetzt neu über die Beteiligungsgesellschaft Swiss Combi AG auch an SBB Cargo.

Das Beste aus zwei Kulturen
In Robert Einsteins Kopf formte sich die Vision, die Vorteile eines KMU mit jenen ­eines Logistikkonzerns zu kombinieren, also mindestens gleich kurze Laufzeiten wie die grossen Player anbieten und gleichzeitig die Stärken der Kooperationspartner ausspielen zu können – Kundennähe und Flexibilität. Als weiterer Vorteil sollten durch die Nutzung bestehender Vertriebsnetze und Touren Kilometer und Leerfahrten reduziert werden, um die Wettbewerbsfähigkeit zu verbessern. Bereits 2004 führte Einstein erste Gespräche mit potenziellen Partnern, aber es dauerte dann doch bis 2009, bis die Firma formal gegründet werden konnte. Seither arbeitet Einstein zu 100 Prozent für die Gesellschaft. Zunächst widmete er sich dem Aufbau von Netzwerk und Kooperation, danach galt es, das System laufend hochzufahren.

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Robert Einstein, ist Initiator und Geschäftsführer von Cargo24.

Bei den Mitgliedern handelt es sich meist um KMU mit 20 bis 250 Fahrzeugen, die alle früher oder später ähnlichen Problemen gegenüberstehen. «Bekommt man an einem Tag viele Sendungen Richtung Lausanne, soll man deswegen mit einem zweiten LKW dorthin fahren – und dann leer wieder zurück? Und was bedeutet das bei einem knappen Lieferfenster oder einer Adresse, die nicht mit einem Sattelzug angefahren werden kann? Und muss ich mehrere Fahrzeuge schicken, wenn in der Stadt Zürich mehrere Sendungen spätestens bis 8.00 Uhr ausgeliefert sein müssen?»

Das Prinzip als Dienstleister
Cargo24 betreibt Systemverkehr und ist ein reiner Dienstleistungsbetrieb ohne eigene Fahrzeuge. Inhaber sind Robert Einstein und diverse Transportunternehmer. «Jeder Partner kann hier am Zentralhub in Schafisheim täglich seine Sendungen ‹entsorgen›, die er nicht selbst fahren will», erklärt Einstein das Prinzip. «Umgekehrt muss er von den Partnern die Sendungen in sein Gebiet mitnehmen. Wenn man in jeder Region Partner hat, kann man sein Fahrzeug optimal auslasten. Die Hauptachsen und grössere Posten fährt man selber, kleinere Sendungen und abgelegene Empfänger gibt man hingegen ab. Wir betreiben eigentlich eine Citylogistik für die ganze Schweiz, bei der jeder Partner die Sendungen in das eigene Gebiet verdichtet und so LKW-Fahrten reduziert.» Damit das funktioniert, gibt es ein Cargo24-Lexikon, das die Spielregeln innerhalb der Kooperation festlegt. «Und es braucht einheitliche, standardisierte Dienstleistungen, die flächendeckend erbracht werden können», so Einstein.

Als Vorteile für den Kunden nennt er zuverlässige und schnelle Laufzeiten, Termineinhaltung, eine tiefe Schadensquote, Flexibilität und Kundennähe, denn es sind lokale Fahrer, die die Ware liefern, also dieselbe Sprache sprechen und sich vor Ort auskennen. Einen Sympathiebonus gibt es zudem, weil das System regionale Arbeitsplätze sichert.

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Routinierte Effizienz: Für eine kurze Zeit geht es zu und her wie in einem Ameisenhaufen.

Auslastung optimiert, Partner glücklich
Dass ein Inte­resse für die Abgabe von Sendungen vorhanden ist, ver­ortet Einstein in vier Buchstaben: «Die LSVA hat die Kilometergestehungskosten extrem nach oben getrieben. Es machte beispielsweise wenig Sinn mehr, mit zwei Paletten aus dem Unterland nach St. Moritz zu fahren. So wurde die Abgabe von Lieferungen zuerst in Berggebieten salonfähig.» Cargo24 dehnte das Prinzip erstmals auf die ganze Schweiz aus. «Es ist ein Geben und Nehmen: Ich kann Sendungen am nächsten Tag in alle Gebiete der Schweiz abliefern, sofern sie bis 20 Uhr im Hub in Schafisheim eintreffen.» Das funktioniert übrigens nicht nur mit Auslieferungen: «Man kann auch Partner beauftragen, eine Sendung vorzuholen.»

Zu Beginn brachte man seine Lieferungen, die man abgeben wollte, direkt dem anderen Partner. «Man war zunächst der Meinung, ein Zentralhubsystem funktioniere aufgrund des Nachtfahrverbots nicht. Andere hatten es schon zuvor versucht, ohne Erfolg. Bei unserem Versuch haben wir darauf geachtet, möglichst viele Synergien zu nutzen. Wir haben klein angefangen und die bestehende Infrastruktur genutzt. Wir konnten dabei das Know-how der gut funktionierenden Netze im Ausland übernehmen und helvetisieren.»

Nach einer Evaluation verschiedener Standorte in der Region Härkingen und Schafisheim fiel der Entscheid zugunsten der Lagerhäuser Aarau. «Im Nachhinein muss die Wahl als Glücksfall bezeichnet werden. Die Lagerhäuser Aarau sind heute ebenfalls Partner und unterstützen uns tatkräftig.» Es war auch aus einem anderen Grund ein Glücksfall, wie Einstein erklärt: «Wir können über dieselbe Plattform sämtliche Temperaturzonen abbilden, sowohl im Lager als auch im Transport, was in dieser Form einmalig ist. Es ist für uns zwar grundsätzlich nicht relevant, aber wir können solche Anfragen entsprechend weitergeben, das macht uns zu einem Komplettanbieter. Was noch wichtiger ist für unsere Verkehre: Mit Schafisheim sind wir geografisch optimal gelegen. Alle grösseren Deutschschweizer Städte (ausser St. Gallen und Chur) erreiche ich von hier aus innerhalb einer Stunde. Das heisst, vom Hub aus sind alle Fahrzeuge bis spätestens 22 Uhr zurück.» Dadurch braucht man viel weniger Fahrer, die bereit sind, im Fahrzeug zu übernachten.

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Optimale Infrastruktur: der Umschlagplatz im Zentralhub von Cargo24 in Schafisheim.

Stärken und Optimierungspotenziale
Aufgrund der übersichtlichen Grösse der einzelnen Transportpartner ist Cargo24 sehr zuverlässig und flexibel. An fast jedem Cargo24-­Standort ist der Inhaber des Transportunternehmens vor Ort. «Die Entscheidungswege sind dadurch sehr kurz. Wir können zudem aufgrund der Grösse der Unternehmen sehr flexibel auf Kundenwünsche eingehen und aufgrund der Historie der verschiedenen Partner ein sehr breites Spektrum abdecken. Und gegenüber vielen Wettbewerbern mit Bahnnachtsprung sind wir sogar teilweise früher in den Regionen, denn wir können eine bis zwei Stunden früher anfangen auszuliefern.»

Als laufende Herausforderung nennt Einstein die IT. Sie führt zu stetigen Anpassungen der Prozesse, bietet aber auch Möglichkeiten, diese effizienter zu gestalten. Ziel sei es, die Prozesse weiter zu automatisieren und dem Kunden weitere Informationen zum Transportverlauf zur Verfügung stellen zu können. Und schliesslich sollen die Partner als Gruppe von besseren Einkaufskonditionen profitieren können.

Wenn ein Transportunternehmer nun Cargo24-Partner werden will, muss er diverse Voraussetzungen erfüllen, z.B. betreffend Fahrzeugpark, Qualitätsniveau, IT, Marktauftritt oder Firmengrösse. Und er muss eigene Verlader haben: «Reine Subunternehmer sind bei uns an der falschen Adresse. Wichtig ist für uns nicht, weitere Transportunternehmen zu finden, sondern unser hohes Qualitätsniveau trotz steigendem Volumen halten zu können.» Die Kosten für den Partner richten sich nach seiner Grösse und dem Volumen, das er in das System einspeist.

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Stückgut bedeutet, gut jedes Stück ist anders.

Es ist kurz nach 20 Uhr. Plötzlich kommt Hektik auf. Fleissigen Ameisen gleich wuseln die Chauffeure mit Gabelstaplern und Palettenrollis durch die Halle – Zeit ist Geld, jeder will und muss rechtzeitig wieder losfahren können. «Wir betreiben am Abend den Umschlag der LKW grundsätzlich selber», erklärt Einstein und entschuldigt sich plötzlich für ein paar Minuten, um persönlich mitanzu­packen. Die Sorge, dass er in seinem späteren Beruf nur noch im Büro hocken werde und nicht mehr mit den Händen arbeiten könnte, scheint wohl unbegründet gewesen zu sein.

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