Türöffner für flüssiges ­Erdgas LNG in der Schweiz

ALTERNATIVE ANTRIEBE Um dem Ruf nach Reduktion der Umweltbelastung nachzukommen, sucht auch die Logistikbranche Alternativen zum Diesel. Eine davon ist das flüssige Erdgas LNG. Bislang fand LNG in der Schweiz kaum Beachtung, doch das Projekt «LNG – Brücke in die Zukunft» ebnet hier den Weg. Hauptinitianten sind das Transportunternehmen Krummen Kerzers AG und der Detailhändler Lidl Schweiz.

Initianten des Projektes «LNG – Brücke in die Zukunft» TIR transNews
Die Initianten des Projektes «LNG – Brücke in die Zukunft» (v. l.): Peter Krummen, CEO Krummen Kerzers AG; Sabine Rapold, Pro­jektleiterin LNG Lidl Schweiz; Georg Kröll, CEO Lidl Schweiz und Alessandro Wolf, COO Lidl Schweiz.

Für die Transportbranche ist Diesel der bislang effizienteste und günstigste Treibstoff, mit einer Motorentechnologie, die sich über Jahrzehnte entwickelt hat. Heute ist er von ausgewiesener Qualität, allen Pauschalverurteilungen zum Trotz, die sich aus dem Dieselskandal beim Personenwagen erhoben haben. Gleichwohl ist die Branche im Wandel und die Suche nach valablen Alternativen zum Diesel ist in vollem Gange. Erdgas steht dabei schon länger immer wieder auf dem Prüfstand, doch erst mit Flüssiggas LNG begann sich eine kommerziell nutzbare Lösung abzuzeichnen.

Was kann LNG? Moderne Erdgasmotoren weisen heute eine ähnliche Leistungsfähigkeit auf wie der Diesel und mit der Flüssigvariante LNG sind bei entsprechend konfigurierten Fahrzeugen Tankstopps ebenfalls erst jenseits von 1000 Kilometern nötig. Ein LNG-LKW hat aber auch einen um 10 bis 15 Prozent geringeren CO2-Ausstoss (Well to Wheel), belastet die Umwelt mit 35 Prozent weniger Stickoxiden und verursacht praktisch keinen Feinstaub. Bei einem Lastwagen mit einer Jahresleistung von 150 000 km liegt das Potenzial zur CO2-Reduktion bei 20 Tonnen jährlich. Bei Zumischung von Biogas oder synthetisch hergestelltem Gas erhöht sich das Reduktionspotenzial weiter.

Knackpunkt Infrastruktur Im europäischen Ausland hatte man die Vorteile von LNG schon bald erkannt und hat über die letzten zwei, drei Jahre damit begonnen, eine breite Tankinfrastruktur auf die Beine zu stellen. Initiativen wie «Blue Corridors», die entlang den europäischen Haupt­routen ein Gastankstellennetz (CNG alle 150 km, LNG alle 400 km) vorsieht, bestätigen die Ernsthaftigkeit der Bestrebungen. Diesbezüglich war die Schweiz bislang jedoch ein weisser Fleck auf der Landkarte. Was aber nicht bedeutet, dass hierzulande keine Abklärungen vorgenommen wurden, denn verschiedene Unternehmen hatten sich bereits früh mit einer möglichen Erschliessung der Schweiz aus­einandergesetzt.

Die Zusammenarbeit von Lidl Schweiz und von der Krum­men Kerzers AG bringt jetzt den berühmten Stein ins Rollen, der im aktuellen Fall auch die offene Frage der Infrastruktur klärt. Krummen wird im Laufe der ersten Jahreshälfte 2019 damit beginnen, einen grossen Teil der Transporte von Lidl mit LNG-Lastwagen abzuwickeln, die nötigen Tankstellen werden beim Lidl-Verteilzentrum in Weinfelden und in der Region Kerzers/Estavayer erstellt. Da sich auch Translait dem Projekt angeschlossen hat, kommt eine dritte Tankstelle in Gunzgen dazu. Alle drei Tankstellen werden öffentlich zugänglich sein, was den Grundstein legt für den Betrieb von LNG-Lastwagen in der Schweiz.

Triebkraft Nachhaltigkeit Die Reduktion der Umweltbelastung wird nicht nur vom Gesetzgeber vorangetrieben, auch von den Nutzern von Transportdienstleistungen und von der Logistikbranche selber wird der Ruf danach immer lauter. Lidl Schweiz hat sich in seiner Strategie «Unser Weg nach morgen» auf die Fahne geschrieben, spätestens 2020 der nachhaltigste Discounter der Schweiz zu sein. Die betriebsintern geführte Statistik zeigt dabei auf, dass rund 30 Prozent der CO2-Belastung auf den Transport der Güter zurück geht. Entsprechend beeinflusst die Transportfrage schwergewichtig die Nachhaltigkeit.

Da eine CO2-freie Alternative noch nicht existiert, sieht man bei Lidl im LNG den aktuell wirkungsvollsten Ansatz. «Im Alleingang ist hier aber keine Lösung zu finden», meint Lidl-COO Alessandro Wolf, und er hat mit Krummen Kerzers den dazu nötigen Partner gefunden. Krummen und Lidl erläuterten ihr Projekt Mitte August im Rahmen einer Informationsveranstaltung, wobei über 100 Vertreter der Logistikbranche nach Weinfelden angereist waren, was das grosse Interesse am Thema vor Augen führt.

Für Peter Krummen, Inhaber und Geschäftsführer von Krummen Kerzers, ist heute nicht absehbar, wie sich in zehn Jahren die technischen Antriebslösungen für die Logistik- und Transportbranche präsentieren werden. So sieht er LNG als Zwischenschritt, als Brücke in die Zukunft: «Mit LNG lässt sich heute sofort etwas tun. Die Technik ist vorhanden und erprobt.» Entsprechend sieht Peter Krummen das Thema LNG auch nicht als ungewisses Abenteuer: «Jede neue Lösung, die in der Transportbranche Einzug hält, muss sich am Diesel messen.» Die im Ausland gemachten Erfahrungen und die Krummen-eigenen Berechnungen zeigten, dass trotz heute noch höherer Anschaffungskosten und kürzerer Wartungsintervalle bei genügender Kilometerleistung (die Mindestgrenze sieht Krummen bei 110 000 km pro Jahr) neben dem ökologischen Gewinn mit jedem LNG-­Lastwagen das Transportunternehmen auch ökonomisch im Plus steht. Dabei ist Krummen von 1,15 Franken pro Kilogramm LNG ausgegangen (Preis ohne MwSt.). Iveco rechnet mit einem rund neun Prozent geringeren TCO als beim Diesel. Erleichterungen bei der LSVA sind keine zu erwarten, da LNG ebenfalls ein fossiler Brennstoff ist.

Technische Rahmenbedingungen Die Federführung bei der Anschaffung der Tankstellen hat Sabine Rapold, Projektleiterin LNG bei Lidl Schweiz. Man setze auf mobile Tankstellen, die auf einem Anhänger in­stal­liert sind. Als Richtwert für die Anschaffung spricht Sabine Rapold von 400 000 bis 800 000 Euro pro Einheit. Der Speicher fasst 35 m3 Volumen, was gemäss Peter Krummen einen Betrieb mit idealerweise mindestens zehn Lastwagen bedingt. Das Spezielle an LNG ist die Tatsache, dass das Erdgas auf minus 160°C gekühlt wird und sich das Volumen um das 600-Fache reduziert. Die Masse ist dadurch rund 2,5-mal geringer als das unter hohem Druck stehende CNG. Dadurch ergibt sich die nötige Energiereserve, um mit LNG bis 1500 km weit fahren zu können. Allerdings erwärmt sich LNG sukzessive wieder und dehnt sich aus. Das bedingt regelmässige Betankungen und entsprechend lange Routen, damit das Gas nicht lange «liegt» und sich weder in der Tankstelle noch im Lastwagen soweit erwärmen kann, dass es übers Überdruckventil in die Umgebung entweicht. Diese Entweichung würde eine immens hohe CO2-Belastung verursachen. So setzt Krummen zu Beginn des Projektes auf die erwähnten mindestens zehn LNG-Lastwagen, um genügend Umschlag des Gases sicher- zustellen.

Neben dem Pionier Iveco gibt es LNG-Lastwagen inzwischen auch von Scania und Volvo. Volvo ist dabei der einzige, bei dem der Gasmotor nach dem Dieselprinzip arbeitet und dadurch auch ein, zwei Nachteile in Kauf zu nehmen sind. Zum einen muss eine gewisse Dieselmenge mitgeführt werden, was in der Abgasnachbehandlung auch den SCR-Kat und Adblue-Einspritzung verlangt. Zudem ist nur beim LNG nach Otto-Prinzip auch das Arbeitsgeräusch deutlich verringert. Das Plus hat der Diesel-LNG hingegen bei der Energieeffizienz, die gemäss Volvo rund 15 bis 20 Prozent besser ist als beim Otto-LNG.

Lean & Green Krummen Kerzers wie Lidl Schweiz hatten sich im letzten Jahr der Initiative «Lean & Green» angeschlossen, bei der sich teilnehmende Firmen verpflichten, ihren CO2-Ausstoss innerhalb von fünf Jahren messbar um 20 Prozent zu reduzieren. «Das war für uns ein wichtiger Schritt, um den prognostizierten Zuwachs am Güterverkehrsaufkommen mit unserem Nachhaltigskeitsanspruch auch künftig zusammenbringen zu können», erklärt Georg Kröll, CEO Lidl Schweiz. Dabei spielt für Lidl das Engagement von Krummen Kerzers eine wichtige Rolle, denn jede CO2-Reduktion des Transporteurs kommt auch dem Kunden zugute. Bei Krummen stellt man dazu auf drei Pfeiler ab. Neben der Umstellung eines Teils der Lastwagenflotte auf LNG setzt man in der Firmenzentrale in Kerzers auf ein gezieltes, kontinuierliches Chauffeurtraining, das Verbrauch und Sicherheit verbessern soll. Zudem arbeitet man an der Optimierung der Transportplanung, um Umwege und Leer­fahr­ten zu minimieren.

Lastwagen mit flüssigem Erdgas LNG Krummen Kerzers AG TIR transNews
Mit Lastwagen mit flüssigem Erdgas LNG wird die Krummen Kerzers AG im Laufe der ersten Jahreshälfte 2019 einen grossen Teil der Transportaufgaben für Lidl Schweiz abwickeln. LNG reduziert CO2, Stickoxide und Feinstaub substanziell.
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