Wie die ESA das ­Autogewerbe versorgt

AUSGEKLÜGELTE VERSORGUNG - ESA steht für Einkaufsorganisation des Schweizerischen Auto- und Motorfahrzeuggewerbes. Die über 10'000 aktiven Kunden in der Schweiz werden bis zu dreimal täglich beliefert. Dahinter steckt eine ausgeklügelte Logistik mit einigen Besonderheiten.

Reto Röthlisberger ESA Logistik TIR transNews
Reto Röthlisberger hat als Leiter der Logistik die anspruchsvolle ­Aufgabe, die 10’000 aktiven Kunden der ESA zu versorgen.

Anfang der Dreissigerjahre des letzten Jahrhunderts kamen die kapitalkräftigen Pneuhäuser auf und drohten die Schweizer Garagisten aus dem wichtigen Reifengeschäft zu drängen. Als Gegenmassnahme gründeten einige aktive Garagisten eine Selbsthilfeorganisation, um den Import von Reifen zu organisieren. Dank gebündeltem Einkauf konnten die Einkaufspreise für die Mitinhaber gesenkt werden. Das Sortiment wurde laufend erweitert und den Marktbedürfnissen angepasst. Vor gut zehn Jahren kamen Service- und Verschleissteile hinzu, ein Bereich mit starkem Wachs­tums­poten­zial.

Nach wie vor generieren aber Reifen den grössten Anteil am Umsatz. Bis zu einer halben Million Pneus werden saisonal eingelagert und müssen vor allem bei Wintereinbruch in sehr kurzer Zeit geliefert werden können. Die über 10’000 aktiven Kunden können aus einem Sortiment von 600’000 Artikeln wählen. Die 800 Lieferanten liefern die Produkte hauptsächlich selber an und in der Regel zentral nach Burg­dorf. Lediglich zeitkritische respektive Volumenprodukte gehen an die Regionallager. Als reines Handelsunternehmen führt die ESA neben den bekannten Premiummarken auch die Eigenmarke ESA-Tecar. Bekanntestes Beispiel und ein sehr wichtiges Produkt ist der ESA-Tecar-Reifen, dieser ist exklusiv nur beim Garagisten erhältlich.

Prio A: Einkauf vergünstigen
Als lokal verankerte Genossenschaft unterhält die ESA mit ihren Kunden oft auch gegenseitige Geschäftsbeziehungen. Das bedeutet beispielsweise, dass die Fahrzeuge für die Lieferflotte nicht zentral eingekauft werden, sondern bei unterschiedlichen Händlern verschiedener Marken und dort natürlich auch jeweils gewartet und repariert werden. Dies wiederum macht es praktisch unmöglich, ein Flottenmanagementsystem für die optimierte Wartungsplanung einzusetzen. «Was uns vom Wettbewerb unterscheidet, ist, dass wir eine Genossenschaft sind. Und der Genossenschaftsgedanke wird gelebt», erklärt Reto Röthlisberger, Mitglied der Geschäftsleitung und verantwortlich für die Logistik. «Unser primärer Auftrag ist der günstige Einkauf, um unseren Mitinhabern und Kunden eine möglichst gute Ausgangslage zu verschaffen.»

Der Einkauf ist zwar das Kerngeschäft, aber ohne funk­tionierende Logistik würde das nichts bringen. «Wir beliefern alle unsere Kunden grundsätzlich täglich, vorwiegend werden sie zwei, drei Mal pro Tag angefahren», so Röthlisberger. «Wir machen einen grossen Teil selber. Partner ziehen wir hinzu, um Gebiete zu versorgen, die für uns nicht optimal erschlossen sind, oder um Spitzen zu brechen, etwa beim Winterreifengeschäft. Viele Automobilisten warten bis zum letzten Moment und wenn es schneit, muss alles schnell gehen. Dann werden bei uns interne Ressourcen zusammengezogen und eingesetzt, sodass auch mal der Chef im Lager mit anpackt. Das Reifengeschäft ist extrem saisonal, eine Automatisierung müsste die Spitzen abdecken, um dann den Rest des Jahres kaum ausgelastet zu funktionieren. Das ist wirtschaftlich nicht sinnvoll und daher kein Thema.»

Ein Zentral- und sieben Regionallager
Häufig nachgefragte Teile werden schweizweit an acht Standorten gelagert und von dort ausgeliefert. Was dort nicht verfügbar ist, wird im Zentrallager in Burgdorf gerüstet und über Nacht an den jeweiligen Standort geliefert, damit es am nächsten Morgen mit einem der 130 Transporter zugestellt werden kann. Auch bei den Reifen sind die gängigen Dimensionen und Modelle dezentral in allen Standorten gelagert, im Zentrallager steht aber das ganze Sortiment abrufbereit.

Eine derartige Struktur kann natürlich nicht mehr analog gesteuert werden. Die ESA arbeitet daher mit SAP. «Vor einigen Jahren haben wir unsere Lagerprozesse mobil abgebildet und in diesem Zusammenhang die Prozesse überarbeitet. Wir investierten in den letzten Jahren 25 Mio. Franken in Liegenschaften und Infrastruktur, darunter auch in den Aus- und Neubau in Burgdorf. Wir befinden uns auf einem sehr modernen Stand und entwickeln uns noch weiter.»

Eigene Servicelogistik
Die ESA verkauft nicht nur Reifen und Ersatzteile für Autos, sondern auch Investitionsgüter, sprich Garageneinrichtungen, Autowaschanlagen und Karosserie-Einrichtungen. Für die Wartung und Reparatur dieser Anlagen sind 35 Techniker zuständig, deren Ersatzteilversorgung natürlich ebenfalls die ESA sicherstellt, allerdings mit einem Unterschied: Der ESA-Techniker bestellt das Ersatzteil, es wird im Lager kommissioniert und per Nachtlogistik direkt ins Servicefahrzeug geliefert. Dies erledigt ein externer Dienstleister, der von den Fahrzeugen ­einen Zweitschlüssel hat. «So stellen wir schweizweit die rasche Reparatur sicher.»

Letzte Meile – was kommt?
Wie bereitet sich die ESA vor auf Herausforderungen wie etwa künftige Zufahrtsbeschränkungen in Innenstädten? Dazu Reto Röthlisberger: «Die letzte Meile wird lediglich von den Gütern her herausfordernd. Kleinteile lassen sich einfach zum Beispiel per Elektrodreirad oder Kleinwagen ausliefern. Aber zum Beispiel vier Reifen sind zu sperrig dafür und man wird sie auch nicht mit einer Drohne zum Kunden fliegen können. Da wird man um die klassische Lieferung nicht herumkommen. Die Zukunft liegt in der sinnvollen Lagerhaltung. Darum bemühen wir uns heute schon, sodass wir einen Kunden, ökologisch und ökonomisch sinnvoll, zwei bis drei Mal täglich anfahren, und nicht wie gewisse Mitbewerber, die das noch öfter tun.» Und wie geht die ESA mit verstopften Strassen um? «Wir versuchen Randstunden zu nutzen, ein Teil unserer Lieferanten beliefert uns in der Nacht und wir nutzen Crossdocking, also Vorkonfektionierung, sodass diese Teile frühmorgens verarbeitet und den ersten Touren, die gegen 7.00 Uhr starten, mitgegeben werden können. Auch am Abend haben wir längere Bestellschlusszeiten, um im Interesse der Kunden Vorteile zu schaffen.»

Digitalisierung in kleinen Schritten
Welche Themen kommen in den nächsten Jahren auf die ESA-Logistik zu? «Der nächste Schritt wird die elektronische Unterschrift sein», verrät Röthlisberger. «Bisher wird der Lieferschein vom Kunden unterschrieben, das ist nicht mehr zeitgemäss. Wir wollen das mit elektronischen Endgeräten ändern. Wir prüfen auch bargeldlose Zahlungen. Mehrheitlich wird per Rechnung bestellt, es gibt aber auch Kunden, die bar bezahlen. Und schliesslich die gesamte Retourenabwicklung. Da haben wir also noch was zu tun.»

www.esashop.ch

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